Pressemitteilung 15-I

Justiz 2015: Strukturprobleme angehen! Das Neue Jahr hat in der schleswig-holsteinischen Justiz stürmisch begonnen: Im Nachgang zur Geiselnahme und dem misslungenen Ausbruchsversuch von hochge-fährlichen Gefangenen in der JVA Lübeck am Heilig Abend sind die Ministerin und ihr Staatssekretär unter Druck geraten. Obwohl die Aufklärung des Vorgangs noch nicht abgeschlossen ist, wird bereits heftig über personelle Konsequenzen diskutiert, bis hin zu Rücktrittsforderungen an die Leitung des Ressorts. Wieder einmal besteht die Gefahr, dass daneben die großen und drängenden Dauerprobleme der Justiz aus dem Blick geraten. „Der schwerwiegende Vorfall in der Lübecker JVA muss lückenlos aufgeklärt werden“, erklärte heute der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Dr. Wilfried Kellermann, vor der Presse in Kiel. „Das sind wir den betroffenen Mitarbeitern und der Sicherheit der Allgemeinheit schuldig. Was dagegen niemandem hilft, sind kräftezehrende Personaldebatten auf unklarer Grundlage. Dafür sind die Probleme der Justiz zu weitreichend. Wir fordern alle politisch Verantwortlichen auf, ihre Kraft im Neuen Jahr besonders in die Lösung struktureller Justizfragen zu investieren. Der steuerzahlende Bürger hat einen Anspruch auf funktionierende Gerichte und Schutz vor Straftaten. Das muss oberstes Gebot sein. Eine funktionierende Justiz bedarf einer langfristig belastbaren Personal- und Sachausstattung. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf. Der berufliche Nachwuchs droht wegzubrechen. Zwischen dem Einstellungsbedarf des Landes in den nächsten Jahren und der Anzahl qualifizierter Bewerber klafft eine gewaltige Lücke. Wir können es uns nicht leisten, zukünftig minder qualifizierten Nachwuchs einzustellen. Richter und Staatsanwälte sind durchschnittlich 35 Jahre lang im aktiven Dienst. Nur die Besten können die hohen fachlichen und persönlichen Anforderungen dauerhaft erfüllen. Unser Land wird im Wettkampf um den Nachwuchs auf der Strecke bleiben, wenn nicht bald massiv geworben und die Attraktivität der Arbeitsplätze gesteigert wird. Obwohl die Probleme, die mit der unzureichenden Bezahlung anfangen, längst bekannt sind, wird nicht gehandelt, sondern weiter abgewartet. Bereits die aktuelle Personalausstattung ist in wichtigen Bereichen mangelhaft. Dies schlägt massiv etwa auf die Strafverfolgung durch. Die Ermittlung von Straftaten im Internet und die Auswertung elektronischer Beweismittel durch Fachkräfte der Polizei stehen infolge Personalmangels kurz vor dem Erliegen. Soweit Straftaten aufgeklärt werden, vergeht oft viel zu viel Zeit bis zum Verfahrensabschluss, weil zu den Verzögerungen im Ermittlungsverfahren zum Teil lange Staus bei den Strafgerichten hinzukommen. Seit Jahren appellieren wir vergeblich an die Politik, sich dieses struktu-rellen Problems anzunehmen. Im Bereich der Sachausstattung und der Verfahrensabläufe stehen Justiz und Verwaltung, wie in allen Bundesländern, vor dem größten Umbruch seit Einführung der EDV. Binnen weniger Jahre müssen aufgrund gesetzlicher Vorgaben alle internen Vorgänge vollständig auf elektronische Prozesse umgestellt und auch der Kontakt von und nach außen digitalisiert werden. Die damit verbundenen Umwälzungen erfordern ein Höchstmaß an organisatorischen Anstrengungen, um nicht an den komplexen Fragen der Arbeitsgestaltung, Technik und Sicherheit zu scheitern. Auf diesem Sektor besteht akuter Handlungs- und Informationsbedarf gegenüber allen Betroffenen.

Wir fordern die politisch Verantwortlichen dazu auf, diese und weitere Herausforderungen jetzt anzugehen.“