Pressemitteilung 12-I

Schließungspläne Sexualmedizin: Wo bleibt der Opferschutz? Zu einer möglichen Schließung der Kieler Sektion für Sexualmedizin gab der Schleswig-Holsteinische Richterverband heute eine öffentliche Stellungnahme ab. Darin hob der Vorsitzende des Verbandes Dr. Wilfried Kellermann die zentrale Bedeutung des sexualmedizinischen Instituts aus Sicht der Richterund Staatsanwälte hervor:

„Die Praxis braucht nicht weniger, sondern mehr wissenschaftliche Unterstützung. Wer Sexualstraftaten vorbeugen und sie wirkungsvoll bekämpfen will, ist auf die moderne Sexualmedizin zwingend angewiesen. Hier die Mittel zu streichen ist unverantwortlich und trifft letztlich die Opfer.“

Ausführlich würdigte Kellermann den Leistungsstand der betroffenen Sektion, die unter ihrem Leiter Prof. Dr. Hartmut Bosinski hervorragend arbeitet. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei die gelungene Integration unterschiedlicher Betätigungsfelder. Hierzu gehört im präventiven Bereich vor allem das Projekt „Kein Täter werden“, das sich an pädophil geneigte Männer im Dunkelfeld staatlicher Ermittlungen richtet. Kommt es zu strafrechtlichen Verfahren, muss die Justiz vielfach sexualmedizinischen Sachverstand zu Rate ziehen. Ohne Fachgutachten sind vor allem die gravierenden Fälle für Richter und Staatsanwälte nicht zu bearbeiten. Gerade der Opferschutz zwingt dabei zur Aufklärung, was mit einem sexuell fehlgeleiteten Täter medizinisch „los“ ist und welche Maßnahmen die Gerichte zum Schutz der Allgemeinheit im einzelnen anordnen müssen. Bei verurteilten Tätern ist es entscheidend, die Rückfallgefahr zu senken. Das gelingt nicht durch bloßes „Wegsperren“, sondern nur mit Hilfe begleitender professioneller Therapieangebote, wie sie die sexualmedizinische Sektion seit 25 Jahren in Kooperation mit den Vollzugsanstalten anbietet und laufend weiterentwickelt. Diese Leistungen sind aus dem Strafvollzug unseres Landes nicht mehr wegzudenken. Von herausragendem Wert ist schließlich die Verbindung der praktischen Arbeit mit Forschung und Lehre. So kann etwa die unlängst begonnene Erforschung von Diag-nosemöglichkeiten für die Pädophilie ein großer Fortschritt für die Erkennung und Behandlung gefährdeter Personen und überführter Straftäter sein. Im Bereich der Lehre geht es vor allem darum, den in Schleswig-Holstein bereits heute akut fehlenden fachlichen Nachwuchs an Sachverständigen auszubilden. Mangels medizinischen Fachpersonals können die Gerichte und Staatsanwaltschaften kaum noch ihren gesetzlichen Aufklärungspflichten nachkommen. Eilige Verfahren, in denen Untersuchungshaft vollzogen wird, drohen an der Überlastung der wenigen verfügbaren Sachverständigen zu scheitern. Im Ergebnis gibt es keinen Zweifel: Ohne eine ausreichende Zahl qualifizierter Sexualmediziner wird die Bekämpfung des gesamten Deliktsfeldes auf der Strecke bleiben.