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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes (LT-Drucksache 19/1838)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu den Änderungsvorschlägen zu § 40 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein1 (LT-Drucksache 19/1838) folgendermaßen Stellung:

1. Keine Verlängerung der Ausschlussfrist (§ 40 Abs. 1 S. 1 Nachbarrechtsgesetz-E)

Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes besteht für eine Verlängerung der Ausschlussfrist von zwei auf vier Jahre in § 40 Abs. 1 S. 1 Nachbarrechtsgesetz-E kein Anlass. Der Ausschlussfrist liegt der Gedanke zugrunde, dass tatsächliche Zustände, die längere Zeit hindurch unangefochten bestanden haben, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit als zu Recht bestehend anerkannt werden. Der Schuldner soll nicht mit Ansprüchen konfrontiert werden, bei denen sich durch Zeitablauf seine Beweissituation verschlechtert hat. Wird die Ausschlussfrist verlängert, trägt dies zu den Interessen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht bei. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 08.12.2017 – V ZR 16/17 – (NJW-RR 2018, 394, Rn. 21) die Zwei-Jahres-Frist des § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein als angemessen bezeichnet und im einzelnen ausgeführt: „Sinn und Zweck der Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz S.-H. für Ansprüche auf Zurückschneiden von Anpflanzungen, die über die nach dem Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein zulässige Höhe oder den zulässigen Abstand hinausgewachsen sind, ist es, innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentümers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt, eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33, 37 zu § 54 Abs. 2 NdsNachbG). Der Nachbar erhält eine angemessene Bedenkzeit, ob er die langsam immer größer und dichter werdenden Anpflanzungen auf Dauer dulden will. Eine Frist von zwei Jahren ist auch für den Eigentümer der Pflanzen zumutbar, denn dann sind Umpflanzungen oder Rückschnitte noch ohne ernstliche Schädigung der Pflanzen möglich (vgl. LT-Drucks. VI/1073 S. 42 zu § 39 NachbG SH). Damit dient die Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz S.-H. dem Rechtsfrieden.“

Insofern sollte an der Ausschlussfrist von zwei Jahren festgehalten werden.


2. Hemmung der Ausschlussfrist (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nachbarrechtsgesetz-E)

In § 40 Abs. 1 S. 2 Nachbarrechtsgesetz-E wird ein Tatbestand für eine Hemmung der Ausschlussfrist aus S. 1 eingeführt, wenn der Anspruch auf Zurückschneiden im Wege eines Antrags bei einer Gütestelle (§ 3 LSchliG) geltend gemacht wird.

Hintergrund ist eine Entscheidung des BGH vom 08.12.2017 – V ZR 16/17 – (NJW-RR 2018, 394, Rn. 18). Der BGH hat in dieser Entscheidung beanstandet, dass § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein eine planwidrige Regelungslücke enthalte: „Nachbarrechtsgesetze der Länder beschränken Beseitigungsansprüche in zeitlicher Hinsicht entweder durch Verjährungsfristen (z.B. Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB) oder - wie hier - durch Ausschlussfristen. Der Unterschied besteht darin, dass der Ablauf einer Ausschlussfrist den Untergang des Rechts zur Folge hat, während nach Eintritt der Verjährung der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Unterliegt ein Anspruch der Verjährung, kann der Berechtigte die Verjährungsfrist voll ausschöpfen, weil er unter den Voraussetzungen der §§ 203 ff. BGB eine Hemmung der Verjährung herbeiführen kann. Für die Ausschlussfrist sieht das Gesetz eine entsprechende Regelung nicht vor. Dafür besteht aber ein Bedürfnis. Der Berechtigte kennt in der Regel die Terminlage der zuständigen Gütestelle nicht und kann auch nicht ohne weiteres die Dauer des Schlichtungsversuchs abschätzen. Er müsste, um sicher zu gehen, lange vor Ablauf der Ausschlussfrist einen Güteantrag stellen, so dass für ihn die Bedenkzeit, ob er die Anpflanzung dulden will, verkürzt würde. Das hat der Gesetzgeber nicht bedacht und ist mit dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH nicht vereinbar.“

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband hält das mit dem Gesetzesvorschlag verfolgte Anliegen für richtig. Indes bedarf der Regelungsentwurf einer Ergänzung. Denn die Hemmung einer Ausschlussfrist wird im Nachbarrechtsgesetz nicht definiert. Auch kommen nicht ohne weiteres die §§ 203 ff. BGB zur Geltung. Denn die BGB-Vorschriften betreffen die Hemmung einer Verjährungsfrist und nicht die Hemmung einer Ausschlussfrist.


3. Anspruch auf Beschneiden (§ 40 Abs. 2 Nachbarrechtsgesetz-E)

Der BGH hat zu einer dem § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein entsprechenden niedersächsischen Regelung entschieden, dass für die Auslegung der Vorschrift über die Ausschlussfrist kein Raum sei, dass nach Fristablauf zwar kein Zurückschneiden auf die gesetzlich zulässige Höhe, wohl aber verlangt werden könne, dass der Eigentümer die Bäume künftig durch regelmäßiges Zurückschneiden auf der Höhe hält, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hatten, oder dass die Bäume auf die Höhe zurückgeschnitten werden, die sie fünf Jahre vor Klageerhebung hatten (vgl. BGH vom 14.11.2013 – V ZR 102/03 –, NJW 2004, 1037).

Auf diese Entscheidung des BGH hat der niedersächsische Gesetzgeber die betroffene Regelung neu gefasst: „…Nach Ablauf der Ausschlussfrist kann der Nachbar vom Eigentümer jedoch verlangen, die Anpflanzung durch jährliches Beschneiden auf der jetzigen Höhe zu halten; im Fall der Klage auf Beschneiden ist die jetzige Höhe die Höhe im Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Klageerhebung steht die Bekanntgabe eines Antrags auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor dem Schiedsamt oder einer anderen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, gleich.“2

Für die Neuregelung war maßgebend, dass es nicht sachgerecht erscheine, das Fristversäumnis zusätzlich dadurch zu sanktionieren, dass mit dem Anspruch auf Zurückschneiden auf die zulässige Höhe auch jeder Anspruch auf eine Höhenbegrenzung ausgeschlossen sei. Der Bestandsschutz sei vielmehr bei Abwägung der beiderseitigen Interessen nur hinsichtlich des Höhenwachstums in der Vergangenheit, nicht aber auch hinsichtlich des künftigen Höhenwachstums geboten. Verlange der Nachbar daher nach Ablauf der Ausschlussfrist lediglich eine Beibehaltung des aktuellen Zustands (jetzige Höhe), so gebühre diesem Interesse der Vorrang vor dem Interesse des Eigentümers an einem – weiterhin – ungehinderten Höhenwachstum.

Die Schaffung einer entsprechenden Regelung in Schleswig-Holstein erscheint dem Schleswig-Holsteinischen Richterverband durchaus sachgerecht. Indes bestehen zur Ausgestaltung einzelne Bedenken:

  • Es erscheint widersprüchlich, dass wenn der Anspruch auf Zurückschneiden nach dem bisherigen Absatz 1 ausgeschlossen ist, der Nachbar dann nach der beabsichtigten Neuregelung in einem neuen Absatz 2 von dem Eigentümer doch ein jährliches Beschneiden verlangen kann. Ist der Anspruchsausschluss in Absatz 1 umfassend (vgl. BGH vom 14.11.2013 – V ZR 102/03 –, NJW 2004, 1037), kann der Anspruch auch in der Form des Absatz 2 nicht mehr gegeben sein.
  • Der Systematik von § 40 Nachbarrechtsgesetz-E würde zudem eher entsprechen, wenn die eingefügte Neuregelung nicht als Anspruchsgrundlage, sondern als Beschränkung des Ausschlusses des Anspruchs auf Zurückschneiden formuliert werden würde.
  • Auch sollte bei der Neuregelung der Begriff des Zurückschneidens gewählt werden, weil ansonsten nicht klar ist, ob mit „Beschneiden“ etwas anderes gemeint sein könnte.
  • Für den Anspruch auf jährliches „Beschneiden“ kommt es nach der Neuregelung auf die Höhe der Anpflanzungen an, die sie im Zeitpunkt des Verlangens haben. Im Zweifelsfall ist der Zeitpunkt des Verlangens der Zeitpunkt des Eingangs bei der Gütestelle. In der Gesetzesbegründung heißt es zu der Zweifelsregelung, dass es auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags bei der Gütestelle ankomme, der wegen der Verpflichtung zum Versuch der einvernehmlichen Streitbeilegung gemäß § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe e) des Landesschlichtungsgesetzes immer vor der Erhebung einer zulässigen Klage liegen werde (vgl. LT-Drucksache 19/1838, S. 8). Diese Ansicht dürfte indes nicht zutreffen. Denn es gibt auch zulässige Klagen (auf Zurückschneiden von Anpflanzungen), denen kein Schlichtungsverfahren vorausgehen muss. Zu denken wäre etwa an eine Klage gegen den Eigentümer (vgl. § 37 Nachbarrechtsgesetz), der seinen Wohnsitz nicht in demselben Landgerichtsbezirk hat wie der Anspruchsteller (vgl. hierzu § 1 Abs. 2. S. 2 Landesschlichtungsgesetz). Richtiger müsste es also sein, als Zweifelszeitpunkt auch den Zeitpunkt der Klageerhebung vorzusehen.


4. Regelungsvorschlag: Ausschlussfrist keine Klagefrist

Das Gesetzesvorhaben sollte genutzt werden, ausdrücklich klarzustellen, dass es sich bei der Ausschlussfrist des § 40 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein nicht um eine Klagefrist im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Landesschlichtungsgesetz Schleswig-Holstein handelt (vgl. hierzu BGH vom 08.12.2017 – V ZR 16/17 –, NJW-RR 2018, 394, Rn. 12).

Fußnoten:

1. In einer derzeitigen Fassung lautet der den Ausschluss des Anspruchs auf Zurückschneiden betreffende § 40 Nachbarrechtsgesetz S.-H.: 
„(1) Der Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen ist ausgeschlossen, wenn die Anpflanzungen über die nach diesem Gesetz zulässige Höhe oder den nach diesem Gesetz zulässigen Abstand hinausgewachsen sind und nicht bis zum Ablauf des zweiten darauffolgenden Kalenderjahres Klage auf Zurückschneiden erhoben worden ist.
(2) Der Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes vorhanden sind, ist ausgeschlossen, wenn
1.    ihr Grenzabstand dem bisherigen Recht entspricht, es sei denn, daß die Anpflanzungen noch nicht älter als fünf Jahre sind, oder
2.     ihr Grenzabstand nicht dem bisherigen Recht entspricht
und nicht bis zum Ablauf des zweiten auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes folgenden Kalenderjahres Klage auf Zu-rückschneiden erhoben worden ist.“
2. Vgl. hierzu auch LT-Drucksache 15/2471 (Niedersachsen).