Pressemitteilung 21-II

Richterwahl: Nur die berufliche Qualifikation darf zählen!

In Schleswig-Holstein entscheidet über die Besetzung von Richterplanstellen seit langem ein vom Landtag gewählter Ausschuss (Richterwahlausschuss), der mehrheitlich mit Abgeordneten besetzt ist. Die Mitglieder des Ausschusses nehmen ihre Aufgabe nach allgemeiner Einschätzung sorgfältig und verantwortungsbewusst wahr. Das Verfahren hat sich bewährt, öffentliche Kritik und/oder Reformbedarf sind nicht bekannt geworden.

Dennoch hat das Justizministerium im Dezember 2020 – ohne irgendeine vorhergehende Bestandsaufnahme oder Rückkopplung mit Richterinnen und Richtern, Anwaltsverbänden oder anderen Betroffenen – überraschend und unangekündigt „auf Wunsch aus dem parlamentarischen Raum“ einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesrichtergesetzes vorgelegt. Mit der plötzlich geplanten Neuregelung soll insbesondere der gesetzliche Maßstab, nach dem Beförderungsstellen an den Gerichten zu vergeben sind, fundamental geändert werden.

Bislang gilt das strikte, im Grundgesetz verbürgte Gebot der sogenannten Bestenauslese. Danach muss der Richterwahlausschuss den nach seiner „Eignung, Befähigung und Leistung“ besten Bewerber anhand seines bisherigen Werdeganges, der vorliegenden dienstlichen Beurteilungen und ggf. einer mündlichen Anhörung ermitteln. Sind Mitbewerberinnen und Mitbewerber der Auffassung, das Gebot der Bestenauslese sei bei der Entscheidung verletzt worden, können die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen. Das Verwaltungsgericht überprüft dann das konkrete Verfahren und kassiert gegebenenfalls fehlerhafte Entscheidungen.

Nun soll es jedoch signifikant anders werden: Nach dem vorgelegten Gesetzentwurf käme es künftig nicht mehr allein auf das Bestenprinzip an. Hiervon soll sich der Wahlausschuss bei seiner Entscheidung nur noch „leiten“ lassen; im Übrigen könnte er frei entscheiden und wäre an keinen gesetzlich definierten Maßstab gebunden. Dies entspreche, so die (einzige) Begründung des Gesetzentwurfs, den Regelungen für die Wahl von Bundesrichtern.

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband tritt dem Gesetzentwurf entschieden entgegen.  

Über Jahrzehnte war in Schleswig-Holstein völlig unstreitig, dass Entscheidungen über Richterstellen stets dem Bestenprinzip zu folgen haben“, erklärte heute die Vorsitzende des Richterverbandes, Dr. Christine Schmehl. „Das ist nicht irgendeine theoretische Floskel, sondern von elementarer Bedeutung für das Vertrauen in eine unabhängige, fachlich hochqualifizierte Justiz. Bürgerinnen und Bürger, die Rechtsschutz begehren, sollen sich darauf verlassen können, dass sie auf Richter treffen, die allein nach ihrer Qualifikation die erste Wahl sind. Richterinnen und Richter sollen sich bei ihrer Arbeit darauf verlassen können, dass sie allein nach ihren Leistungen bewertet werden.

Bei der Besetzung der höchsten Bundesgerichte mögen der föderale Proporz von 16 Ländern und damit verknüpft das Abbild bundespolitischer Strukturen eine Rolle spielen. Aber darum geht es bei uns doch nicht. Wir haben in unserem Land eine bewährte gesetzliche Regelung, nach der ausschließlich der fachlich beste Bewerber auszuwählen ist. Niemand hat bislang behauptet, dass dies mit dem geltenden Verfahren nicht gewährleistet wird oder dass es sonstigen Verbesserungsbedarf gibt. Es ist daher vollkommen unklar, warum nun diese Änderung in Kraft gesetzt werden soll. Die sich aufdrängende Frage, welche anderen Kriterien denn Berücksichtigung finden sollen, steht unbeantwortet im Raum. Gerade in Zeiten, in denen anderenorts die Unabhängigkeit der Justiz massiv bedroht ist, verbietet es sich aber, auch nur den Anschein zu erwecken, an der sachlichen beruflichen Qualifikation vorbei Einfluss auf die Arbeit der Justiz nehmen zu wollen.

Wenn wir vom Prinzip der Bestenauslese abgehen, gefährden wir nicht nur fachliche Standards, sondern vor allem das Vertrauen in unsere Justiz. Und zugleich öffnen wir die Büchse der Pandora, wenn bei der Richterwahl Aspekte außerhalb der beruflichen Fähigkeit der Bewerber den Ausschlag geben können. Das darf nicht passieren.