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Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Landesrechts im Bereich der Justiz (LT-Drucksache 19/365)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Gelegenheit zur Stellungnahme zu Art. 1 § 14 (Hausrecht) des Gesetzentwurfs.

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband

- befürwortet eine Klarstellung in § 14 S. 1 Nr. 2 LJG-RegE für das geschlechtsübergreifende Absuchen (nicht Durchsuchen),

- begrüßt den Regierungsvorschlag zu § 14 S. 1 Nr. 5 LJG-RegE über das Hausverbot zur Abwehr einer nicht nur unerheblichen Gefahr und

- spricht sich gegen den Änderungsantrag LT-Umdruck 19/620 aus.

 

1. Zur Durchsuchung bzw. Absuchung (§ 14 Satz 1 Nr. 2 LJG-RegE)

Nach dieser Regelung dürfen Personen und mitgeführte Sachen durchsucht und un-ter Einsatz technischer Mittel abgesucht werden, insbesondere wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führen, die nach Nummer 3 sicher-gestellt werden dürfen. § 17 Nr. 4 LJG-RegE verweist für diese Regelung unter an-derem auf § 203 Abs. 2 LVwG, wonach Personen nur von Personen gleichen Ge-schlechts oder von Ärztinnen und Ärzten durchsucht werden dürfen. Nur zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben sind Ausnahmen zulässig.

Das Thema Durchsuchungen hat in der Praxis eine große Relevanz. So werden bei-spielsweise Gerichten in Schleswig-Holstein vereinzelt Butterflymesser, regelmäßig Teleskopschlagstöcke und nahezu täglich Reizgasbehälter bei den Besuchern fest-gestellt. Zur Feststellung derartiger Gegenstände wäre der Einsatz von Röntgen-scannern sehr hilfreich.

Zur Regelung des § 14 Satz 1 Nr. 2 LJG-E regt der Schleswig-Holsteinische Richter-verband eine Ergänzung an, wonach die geschlechtsübergreifende Absuche mit technischen Hilfsmitteln zulässig sein soll. Die Praxis zeigt, dass eine geschlechts-gleiche Durchsuchung gerade in kleineren Gerichten nicht immer umgesetzt werden kann. So sind etwa bei einem kleinen Gericht in Schleswig-Holstein nur drei männli-che Wachtmeister angestellt. Das Gericht behilft sich derzeit damit, dass eine Ver-waltungshelferin die Wachtmeisterei unter anderem bei Durchsuchungen unterstützt. In der Vergangenheit bestanden bereits Schwierigkeiten, wenn die Verwaltungshelfe-rin erkrankt oder urlaubsbedingt abwesend war. Nun gestattet § 14 Satz 2 LJG-RegE („Mit dem Vollzug der getroffenen Maßnahmen soll der Justizwachtmeisterdienst be-auftragt werden.“) zwar die Möglichkeit, Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen aus ande-ren Abteilungen mit der Durchsuchung zu beauftragen. Vorzugswürdig ist eine sol-che Lösung aber nicht, da die Durchsuchung eine verantwortungsvolle Aufgabe ist, die ein geschultes, spezifisches Können sowie ein Erfahrungswissen abverlangt. Eine gewisse Abhilfe kann der Einsatz der großen Einlassscanner und eben der Handscanner schaffen. Für eine geschlechtsübergreifende Absuche mittels Handscanner o.ä. sollte aber eine gesetzliche Klarstellung erfolgen.

Der § 14 Satz 1 Nr. 2 LJG-E sollte daher lauten:

"eine Person und mitgeführte Sachen durchsuchen und unter Einsatz technischer Mittel absuchen, insbesondere wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die nach Nummer 3 sichergestellt werden dürfen; Personen dürfen nur von Personen gleichen Geschlechts durchsucht werden; dies gilt nicht für das Absuchen von Personen mit technischen Mitteln oder mit sonstigen Hilfsmitteln oder wenn die Durchsuchung zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist,".

Rechtliche Bedenken gegen eine solche Regelung dürften nicht bestehen (vgl. hier-zu auch die Formulierungen von § 102 Abs. 1, 2 LStVollzG S.-H. oder § 64 JVollzGB III B.-W. und die Kommentierung von Maurer, in: BeckOK Strafvollzug BW JVollzGB III § 64 Rn. 2).

2. Zum Hausverbot bzw. zur Grundstücksverweisung (§ 14 Satz 1 Nr. 5 LJG-RegE)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband begrüßt die Regelung in § 14 S. 1 Nr. 5 LJG-RegE ausdrücklich. Es ist richtig und aus Sicht der Praxis zwingend erforderlich, dass für die Anordnung eines Hausverbots nicht erst an eine "erhebliche Störung" angeknüpft wird, sondern die Anordnung des Hausverbots bereits "zur Abwehr einer nicht nur unerheblichen Gefahr" möglich ist.

Die sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnisse des 2. Kapitels des Entwurfs dienen (wie das Sicherheits- und Ordnungsrecht im Allgemeinen) der Gefahrenabwehr. Wenn für den Erlass etwa eines Hausverbots eine Störung abgewartet werden müsste, zwänge man die Gerichte und Staatsanwaltschaften dazu, einen sich ab-zeichnenden Schadenseintritt sehenden Augen zulassen zu müssen, bevor eine ge-eignete und erforderliche Maßnahme getroffen werden kann. Bei einer Störung han-delt es sich nämlich um die verwirklichte Gefahr, die für Rechtsgüter bereits eingetre-ten sein muss. Es erscheint bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, an eine Gefahr, also an eine Sachlage anzuknüpfen, bei deren ungehindertem Ablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Rechtsgut geschädigt wird. Zu bedenken ist, dass der Staat einen Rahmen geschaffen hat, bei welchem Personen verpflichtet sind, ein Gerichtsgebäude zu betreten. Dann aber hat der Staat auch die Pflicht, die Sicherheit dieser Personen, aber auch für alle anderen im Gericht aufhältigen Personen zu gewährleisten.

An dieser Stelle ist auch auf den in § 162 Abs.1 LVwG S.-H. zu verweisen. Nach dieser Vorschrift hat das Land die Aufgabe hat, von der Allgemeinheit oder der einzelnen Person Gefahren abzuwehren. Auch diese Vorschrift knüpft für die Gefahrenabwehr nicht erst an den Eintritt einer Störung, sondern an das Vorliegen einer Gefahr an. Nichts anderes sollte für die Erteilung eines Hausverbotes gelten.

Die gerichtliche und staatsanwaltschaftliche Praxis sieht sich in diesem Bereich mit zahlreichen, neuen Herausforderungen konfrontiert. Zu nennen sind hier exemplarisch die Reichsbürgerbewegung, gewaltbereite Rockergruppierungen oder delinquente Großfamilien. Diesen Gruppierungen ist eigen, dass sie den Staat und sein Gewaltmonopol herausfordern. Es gibt Personen, die den Staat ablehnen und nach Schwachstellen suchen, um staatliche Vorgänge zu beeinträchtigen. Diesen Situationen muss zur Wahrung von Rechtsfrieden und Rechtsstaatlichkeit mit einem wirk-samen Handlungsinstrumentarium begegnet werden (können).

3. Zum Änderungsantrag (LT-Umdruck 19/620)

Mit dem Änderungsantrag wird vorschlagen, dass § 14 LJG-E um folgende Regelung ergänzt wird (Umdruck 19/620):

„Maßnahmen gegenüber einem Organ der Rechtspflege, die über eine Identitätskontrolle hinaus gehen, sind nur bei besonderem Anlass zulässig. Bei die-sen Maßnahmen sind die besondere Rechtstellung und Funktion des Organs der Rechtspflege zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass diese durch die Maßnahme nicht unangemessen beeinträchtigt werden.“

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband spricht sich gegen den Änderungsantrag aus.

Die vorgeschlagene Regelung beeinträchtigt die praktische Handhabbarkeit des Hausrechts. Die Rechtsanwender der Regelungen zum Hausrecht benötigen ein klares Regelwerk. Denn Anordnungen (einschließlich ihres Vollzugs), die zur Abwendung von Störungen des Dienstbetriebs und zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gebäude und dem dazugehörigen Außenbereich erforderlich sind, erfordern – zum Beispiel im Bereich von Einlasskontrollen sowie Maßnahmen des Absuchens oder Durchsuchens – ein zügiges Handeln des mit diesen Aufgaben in aller Regel beauftragten Justizwachtmeisterdienstes.

Hiermit steht nicht in Einklang, wenn es zuvor einer Feststellung bedarf, ob es sich bei einer Person um ein Organ der Rechtspflege handelt oder nicht. Dies gilt umso mehr, wenn sich eine Person auf die Stellung als Organ der Rechtspflege beruft, dieses aber nicht vor Ort nachweisen kann.

Im übrigen bleibt völlig unklar, was unter einem „besonderen Anlass“ verstanden werden soll. Welche zusätzlichen Anforderungen müssen insbesondere für die Maß-nahmen Nr. 2, 3 und 5 zusätzlich erfüllt sei, damit diese Maßnahmen ergriffen wer-den dürfen? Auf der Grundlage der Voraussetzung eines „besonderen Anlasses“ erscheint es ausgeschlossen, dass die Ausübung des Hausrechts gegenüber einem Organ der Rechtspflege (außerhalb einer Identitätsfeststellung) überhaupt möglich erscheint. Ein solches grundsätzliches Ergebnis kann aber aus der Blickrichtigung der Gefahrenabwehr nicht richtig sein.

In der Gesetzgebungspraxis über ein Hausrecht für ein öffentliches Gebäude ist, soweit ersichtlich, die Hervorhebung einer bestimmten Personengruppe nicht üblich (vgl. nur Art. 20 Abs. 3 S. 2 S.-H. Verfassung, § 33 Abs. 4 S. 3 Schulgesetz S.-H., § 23 Abs. 2 HSG S.-H., § 16 Niedersächsisches Justizgesetz). Auch zu dem gewohn-heitsrechtlich anerkannten Hausrecht gehörte üblicherweise keine Ausnahme für bestimmte Personengruppen.

Eine gesetzliche Sonderregelung für Organe der Rechtspflege in § 14 LJG-E wirft auch deshalb erhebliche Bedenken auf, weil ihr eine Ungleichbehandlung innewohnt, die nicht nachvollziehbar ist. Keine gesetzlichen Sonderregelungen gäbe es dann etwa für

- Mitglieder des Landtags,

- Mitglieder der Landesregierung,

- Mitglieder der weiteren Landesverfassungsorgane,

- Justizbedienstete, soweit sie keine Organe der Rechtspflege sind,

- Polizeibeamte (in Uniform),

- Vertreter der Presse,

ohne dass aus der Blickrichtung der Gefahrenabwehr eine unterschiedliche Behand-lung begründbar erscheint.

Die Regelung des Art. 1 § 14 in der Fassung des Regierungsentwurfs beeinträchtigt im übrigen auch nicht speziell die Stellung der Rechtsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege. Insbesondere handelt es sich bei Regelungen zum Hausrecht nicht um Maßnahmen mit einer für Rechtsanwälte berufsregelnden Tendenz (vgl. OVG Münster v. 23.09.2013 – 4 A 1778/12).

Maßnahmen des Hausrechts dienen vielmehr allein der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude, die nicht zuletzt auch der störungsfreien Berufsausübung der Rechtsanwälte dient.


§ 14 LJG-RegE ist am Schluss dieser Stellungnahme abgedruckt.


Anhang: Wortlaut von § 14 LJG-RegE

§ 14 Landesjustizgesetz lautet in der Fassung des Regierungsentwurfs (LT-Drucksache 19/365):

㤠14 Hausrecht

Die Leiterinnen und Leiter der Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie die von ihnen beauftragten Beschäftigten können zum Zwecke der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes nach pflichtgemäßen Ermessen die zur Auf-rechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Behörden- oder Gerichtsgebäude und dem dazugehörigen Außenbereich erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere

1. generelle Einlasskontrollen durchführen, auch unter Einsatz technischer Hilfsmittel, die zum Auffinden von zur Störung der Sicherheit und Ordnung verwendbarer Gegenstände geeignet sind,

2. eine Person und mitgeführte Sachen durchsuchen und unter Einsatz techni-scher Mittel absuchen, insbesondere wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die nach Nummer 3 sichergestellt werden dürfen,

3. Waffen, gefährliche Gegenstände und sonstige Gegenstände, die geeignet sind, die Sicherheit und Ordnung zu stören, sicherstellen,

4. die Identität einer Person feststellen,

5. zur Abwehr einer nicht nur unerheblichen Gefahr für die Sicherheit und Ordnung eine Person vom Grundstück verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten des Grundstücks verbieten.

Mit dem Vollzug der getroffenen Maßnahmen soll der Justizwachtmeisterdienst beauftragt werden.“