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Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu dem Entwurf der Landesregierung für ein Maßregelvollzugsgesetz (MVollzG) (LT-Drucksache 19/1757) folgendermaßen Stellung:

I. Grundsätzliches

Die Zielrichtung des vorliegenden Entwurfs eines Maßregelvollzugsgesetzes (MVollZG) ist zu begrüßen. Die Betonung der Behandlungsorientierung des Maßregelvollzuges in § 2 des Entwurfs, die Erweiterung der Planung neben der Therapieplanung auf einen Eingliederungsplan nach § 7 des Entwurfs und die Vereinfachung von Vollzugslockerungen in §§ 32 ff. des Entwurfs sind positive Neuerungen des Vollzugsrechts. Außerdem ist es sachgerecht, die Regelungen zu Besuchen und zu Durchsuchungen den jüngeren Vollzugsgesetzen anzupassen. Hervorzuheben ist zudem, dass differenzierte Kostenregelungen in §§ 44, 45 des Entwurfs vorgesehen werden, die auch eine Kostenbeteiligung der untergebrachten Menschen vorsehen. Kritisch anzumerken ist, dass teilweise die Bezeichnungen nicht einheitlich sind, da mitunter die Begrifflichkeit „Patientinnen und Patienten“ statt „untergebrachter Menschen“ verwendet wird. Eine gleichbleibende Terminologie ist vorzugswürdig.    

Die Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in Form von Fixierungen (BVerfG, Urt. vom 24.07.2019 – Az.: 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16) in § 30 des Entwurfs ist notwendig; die vorgesehene intensive Betreuung im Fall einer Fixierung ist grundsätzlich richtig. Die Regelung ist jedoch in Teilen zu kritisieren. 

Mit der Neufassung des Maßregelvollzugsgesetzes wird dieses Vollzugsgesetz umfassend modernisiert. Es entspricht inhaltlich sowie strukturell den (jüngeren) weiteren Vollzugsgesetzen des Landes Schleswig-Holstein. Bewährte Regelungen des Schleswig-Holsteinischen Maßregelvollzugsgesetzes vom 19.01.2000 (zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.05.2015 (MVollzG 2000)) werden dabei im Wesentlichen beibehalten. Das Vollzugsrecht des Landes Schleswig-Holstein erscheint trotz aller Kritik im Einzelnen damit kohärent und auf der Höhe der Zeit. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ziel- und Schwerpunktsetzung des Entwurfes des Maßregelvollzugsgesetzes sachlich zutreffend ist. Zu fordern ist aber, dass die notwendigen Mittel für die Umsetzung der Ziele des Entwurfs zur Verfügung gestellt werden. Dies gilt primär für den Vollzugsbereich selbst, aber auch für die Justiz, da insbesondere die notwendige Sicherung der Grundrechte der untergebrachten Menschen nicht zum „Nulltarif“ zu haben ist.   

Schlichtweg unverständlich ist deshalb, dass der Entwurf eine sicher zu erwartende Mehrbelastung der Richterschaft vollständig übergeht. Für die Gerichte ist eine angemessene Personalausstattung erforderlich. Dies gilt umso mehr, wenn der Gesetzgeber neue Aufgaben für die Gerichte vorsieht.

II. Im Einzelnen

Die Stellungnahme bezieht sich auf die wesentlichen Änderungen der Regelungen zum Maßregelvollzug, wobei ein besonderer Schwerpunkt – in Nr. III der Stellungnahme – bei der Regelung in § 30 des Entwurfes zu den besonderen Sicherungsmaßnahmen, vor allem zu den Fixierungen, liegt.

1. Betonung der Behandlungsorientierung in § 2 Abs. 1 des Entwurfs

Zwar ist schon in § 5 Abs. 2 S. 1 des MVollzG 2000 ausdrücklich ausgeführt, dass ein untergebrachter Mensch einen Anspruch auf die notwendige Behandlung hat, dieses wird aber in § 2 Abs. 1 S. 1 des Entwurfs als Ziel des Maßregelvollzugs ausdrücklich in den Fokus gestellt, indem der Maßregelvollzug dahingehend ausgerichtet werden soll, die untergebrachten Menschen durch Behandlung und Betreuung (Therapie) soweit wie möglich zu heilen. Hierdurch ist diese Zielbestimmung nunmehr wesentlicher Maßstab für sämtliche Maßnahmen im Vollzug sowie für die Auslegung des Gesetzes. Dieses ist zum einen im Interesse der untergebrachten Menschen und zum anderen zur größtmöglichen Annäherung an die weiteren Vollzugsziele in § 2 Abs. 1 S. 2, S. 3 des Entwurfs – Vorbereitung einer selbständigen Lebensführung der untergebrachten Menschen außerhalb einer Einrichtung des Maßregelvollzuges und Erreichen der Befähigung, ein möglichst autonomes, in der Gemeinschaft eingegliedertes Leben in Freiheit zu führen sowie der Sicherung des Schutzes der Allgemeinheit – sachgerecht. Die gesetzliche Zielbestimmung ist folglich positiv hervorzuheben.     

2. Einführung eines Eingliederungsplanes nach § 7 des Entwurfs

Folgerichtig und sachlich zutreffend ist auch die Implementierung einer Eingliederungsplanung neben der schon nach der gegenwärtigen Rechtslage vorgesehenen Therapieplanung nach § 7 Abs. 1, 2 des Entwurfs. Die Planung der Therapie und der Eingliederung ist nach § 7 Abs. 1 S. 1 des Entwurfs binnen einer Frist von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft der die Unterbringung im Maßregelvollzug anordnenden Entscheidung unter Berücksichtigung des Geschlechts, der Persönlichkeit, des Alters, des Entwicklungsstandes, der Lebensverhältnisse, der Störung des untergebrachten Menschen und auf der Grundlage eines Diagnoseverfahrens zu erstellen, wodurch sichergestellt wird, dass möglichst frühzeitig auf einer umfassenden Grundlage eine zielführende Planung erfolgt. Eine derartige Ausrichtung des Maßregelvollzugs ist ausdrücklich zu begrüßen, gerade auch deswegen, weil hierdurch die Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 des Entwurfs erleichtert werden kann.

3. Ärztliche Zwangsmaßnahme (§ 9 des Entwurfs)

Nach § 9 Abs. 2 Nr. 5 des Entwurfs darf eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur erfolgen, wenn das Gericht, das ein Sachverständigengutachten einholt, hierüber positiv entscheidet. Die gesetzliche Formulierung klingt „unjuristisch“ und ist inhaltlich verfehlt.

Im Bereich der Freiheitsentziehung sowie der sie begleitenden Maßnahmen, welche auf der Basis des öffentlichen Rechtes erfolgen, handelt es sich stets um Entscheidungen, die von Staats wegen bei Erfüllung gewisser Tatbestände ergehen. Anders als im Bereich des bürgerlichen Rechtes erfolgt dementsprechend schon keine Genehmigung der Entscheidung eines dazu berufenen Vertreters, sondern eine eigenständige Anordnung (vgl. z.B. Grotkopp in: Bahrenfuss, 3. Aufl., § 323 FamFG, Rn. 5.). Das Gericht trifft also selbst die originäre richterliche Entscheidung über die Anordnung der ärztlichen Zwangsbehandlung. Dies muss auch im Gesetzeswortlaut in aller Eindeutigkeit zum Ausdruck kommen. Die Formulierung „positiv entscheidet“ steht der Möglichkeit einer Anordnung nicht gleich und würde im übrigen auch – vor allem im Bereich der Freiheitsentziehung – nicht dem Gesetzesvorbehalt genügen.

4. Ausweitung der Besuchsmöglichkeiten durch § 13 des Entwurfs

Im Vergleich zu § 13 Abs. 1 MVollzG 2000 wird die Gesamtbesuchsdauer von mindestens einer Stunde auf mindestens vier Stunden monatlich angehoben, was der Intention des Entwurfes, die Eingliederung der untergebrachten Menschen in die Gesellschaft möglichst schon im Maßregelvollzug vorzubereiten, entspricht. Hierdurch wird der zutreffenden Erkenntnis Rechnung getragen, dass während des Vollzugs die Außenkontakte aufrechterhalten und – falls möglich – intensiviert werden müssen. Neben den erweiterten Vollzugslockerungen, auf die noch einzugehen sein wird, kann auch die Ausweitung der Besuchsmöglichkeiten stabilisierend für das soziale Umfeld der untergebrachten Menschen und damit positiv für den Verlauf der Behandlung im Maßregelvollzug und die Eingliederung nach dem Vollzug in die Gesellschaft wirken.   

5. Ergänzung der Durchsuchungsmaßnahmen in § 28 des Entwurfs

Zunächst wird in § 28 Abs. 1 des Entwurfs die Regelung zur allgemeinen oder einzelfallbezogenen Durchsuchung der Sachen, der Kleidung sowie der Unterbringungsräume aus § 6 Abs. 1 MVollzG 2000 beibehalten. Dieses gilt insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen entsprechender Maßnahmen, die bei dem Verdacht der Gefährdung der Ziele des Maßregelvollzugs oder der Sicherheit in der Einrichtung oder zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung möglich sind. 

Auch die Durchsuchung der untergebrachten Menschen ist in § 28 Abs. 2 und Abs. 3 des Entwurfs der bisherigen Rechtslage entsprechend geregelt. Eine Durchsuchung der Person ist nach § 28 Abs. 2 des Entwurfs nur zulässig, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass durch den untergebrachten Menschen eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit in der Einrichtung des Maßregelvollzugs oder eine erhebliche Selbstgefährdung droht. 

Nach § 28 Abs. 3 des Entwurfs ist unter den Voraussetzungen von § 28 Abs. 2 des Entwurfs eine mit einer teilweisen oder vollständigen Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung zulässig, wobei eine solche in einem geschlossenen Raum stattzufinden hat und die Durchsuchung weiblicher Personen durch weibliches und die Durchsuchung männlicher Personen durch männliches Personal durchzuführen ist. 

Die Regelungen zur Durchsuchung werden in § 28 Abs. 4 des Entwurfs dahingehend ergänzt, dass durch die Leitung der Einrichtung des Maßregelvollzugs allgemein angeordnet werden kann, dass bei der Aufnahme und nach einer Abwesenheit von der Station oder der Einrichtung der untergebrachte Mensch durchsucht oder abgesondet werden kann. Diese sehr weite Regelung dürfte nicht zuletzt mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. November 2016 - 2 BvR 6/16 -, Rn. 36; zuletzt BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. März 2019 - 2 BvR 2294/18 -, Rn. 20) verfassungsrechtlich problematisch sein und sollte konkreter, d.h. restriktiver formuliert werden. Die Möglichkeit, derartige allgemeine Anordnungen zu erlassen, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn in diesen Anordnungen schon mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen, in denen von Durchsuchungen abgesehen werden kann, vorgesehen werden. Diese Restriktionsmöglichkeit sollte sich auch in der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage widerspiegeln.             

6. Veränderungen bei den Vollzugslockerungen nach §§ 32 ff. des Entwurfs

Der Entwurf zeichnet zu Recht die Rechtsprechung des OLG Schleswig (Beschluss vom 9. April 2008 - 2 VollzWs 42/08) in § 32 Abs. 1 Nr. 1 nach und erweitert im Vergleich zu § 17 Abs. 1 Nr. 1 MVollzG 2000 die Verpflichtung zur Lockerung des Vollzugs, indem Vollzugslockerungen zu gewähren sind, wenn hierdurch die Ziele des Maßregelvollzugs nicht gefährdet werden. Es ist mithin im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage nicht mehr erforderlich, dass durch die Vollzugslockerungen die Ziele des Maßregelvollzugs gefördert werden. In Anbetracht der Neujustierung des Maßregelvollzugs ist dieses folgerichtig und geeignet, die untergebrachten Menschen auf ein Leben außerhalb des Maßregelvollzugs besser vorzubereiten. Denn eine Vorbereitung auf die Zeit nach dem Maßregelvollzug kann nur gelingen, wenn der untergebrachte Mensch schon während des Vollzuges in Form von Vollzugslockerungen außerhalb der Einrichtungen Erfahrungen machen kann und dieses möglichst mit zunehmender Intensität im Verlauf des Vollzugs, d.h. in einem zunehmenden Umfang.    

7. Regelungen zu den Kosten der Unterbringung in §§ 45 f. des Entwurfs

Der Entwurf sieht im Gegensatz zu der gegenwärtigen Rechtslage in § 26 MVollzG 2000 eine differenzierte Ausgestaltung des Kostenrechts vor, um die Kostenerstattung bzw. Budgetierung im Rahmen einer nach § 3 Abs. 1 a, Abs. 1 b  MVollzG 2000 bzw. nach § 5 Abs. 2, Abs. 3 des Entwurfs möglichen Beleihung geeigneter privatrechtlich organisierter Einrichtungen oder auch die Übertragung der Aufgabe an geeignete psychiatrischen Kliniken oder Entziehungsanstalten in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft zu erleichtern und andere Kostenträger gegebenenfalls zu beteiligen. 

Nach § 45 Abs. 1 des Entwurfs hat das Land Schleswig-Holstein die Kosten zu tragen, soweit nicht ein Sozialleistungsträger zur Erstattung der Kosten vorrangig verpflichtet ist oder der Untergebrachte nicht zu den Kosten beizutragen hat. Gleichzeitig werden in § 45 Abs. 2 und Abs. 3 des Entwurfs Regelungen geschaffen, um durch eine Budgetierung bzw. die Festsetzung von Stellenplänen eine hinreichende Versorgung der untergebrachten Menschen in allen Einrichtungen sicherzustellen, unabhängig davon, wie diese organisiert sind bzw. in wessen Trägerschaft diese stehen. 

Nach § 46 Abs. 1 des Entwurfs ist für die Zeit des Maßregelvollzugs von den untergebrachten Menschen, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis befinden, die sich selbst beschäftigen, die anderweitiges Vermögen besitzen oder die über regelmäßige Einkünfte verfügen, ein Kostenbeitrag zu erheben. Nach § 46 Abs. 2 des Entwurfs ist dieser in der Höhe des Betrages zu zahlen, der nach § 17 Abs. 1 Nr. 4 des SGB IV durchschnittlich zur Bewertung der Sachbezüge durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgesetzt worden ist. Eine solche Vorgehensweise ist grundsätzlich zu begrüßen, da auch die Verpflichtung zur anteiligen Kostentragung bei einer entsprechenden Leistungsfähigkeit der Vorbereitung auf die (Wieder-)Eingliederung in die Gesellschaft dienen kann. 

Schließlich ist es aus fiskalischen Gründen ebenfalls sachgerecht, zur Kostenreduzierung originär verpflichtete Leistungsträger oder die untergebrachten Menschen bei einer entsprechenden Leistungsfähigkeit in Anspruch zu nehmen.     

III. Reform der Anwendung besonderer Sicherungsmaßnahmen gemäß § 30 des Entwurfs

1. Allgemeines

In § 29 des Entwurfs werden mögliche Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen benannt. Hierbei gibt Abs. 1 S. 1 den Grundsatz aus, dass auf Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen verzichtet werden soll. Kann hierauf nicht verzichtet werden, betont Abs. 1 S. 2 das Gebot der Verhältnismäßigkeit der jeweiligen Sicherungs- oder Zwangsmaßnahmen. Zudem werden in Abs. 2 des Entwurfs neue Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen, wie z.B. unter Nr. 4  das Festhalten, ausgeformt.

In § 30 Abs. 2 des Entwurfs werden dann die schon in § 7 Abs. 2 MVollzG 2000 genannten besonderen Sicherungsmaßnahmen aufgenommen und insoweit präzisiert, als die Fixierung durch mechanische Hilfsmittel einschließlich der medizinisch erforderlichen Medikation in § 30 Abs. 3 Nr. 3 des Entwurfs verselbständigt wird. Hierdurch wird der besonderen Bedeutung der Fixierung als wesentlicher Eingriff in die Freiheitsrechte untergebrachter Menschen in dem Entwurf Rechnung getragen. Hinsichtlich der Voraussetzungen der besonderen Sicherungsmaßnahmen wird in § 30 Abs. 2 des Entwurfs nochmals eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung verlangt. 

2. Entscheidung des BVerfG zur 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierung

Das Bundesverfassungsgericht hat am 24.07.2018 (Az.: 2 BvR 309/15 und 502/16) entschieden, dass Fixierungsmaßnahmen (jedenfalls 5- bzw. 7-Punkt-Fixierungen) von nicht nur kurzfristiger Dauer, die im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach den jeweiligen Landesgesetzen (PsychKG, UBG) erfolgen, dem Richtervorbehalt unterliegen. Um den Schutz des von einer freiheitsentziehenden Fixierung Betroffenen sicherzustellen, bedarf es eines täglichen richterlichen Bereitschaftsdienstes, der den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr abdeckt. Auch hat das BVerfG (für die vom bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren unmittelbar betroffenen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern) angeordnet, dass in der Übergangszeit bis zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage in den PsychKG bzw. UBG der beiden Bundesländer der Richtervorbehalt aus Art. 104 Abs. 2 GG unmittelbar anzuwenden sei.

Aus dem Urteil ist ein dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf erwachsen. Die Entscheidung ist zwar zum Recht der öffentlich-rechtlichen Unterbringung ergangen. Die Ausführungen in ihrer Begründung sind jedoch grundsätzlicher Natur und beanspruchen für alle Personen, denen aufgrund richterlicher Anordnung die Freiheit entzogen wird – und damit vor allem auch im Maßregelvollzug – Geltung. 

Insofern ist zu begrüßen, dass nun endlich Regelungen für Fixierungen im Maßregelvollzugsgesetz geschaffen werden sollen. Zu fordern ist aber, dass diese Neuregelungen mit dem systematischen Gesamtgefüge der bereits existierenden rechtlichen Grundlagen in Einklang stehen.

3. Begriff der Fixierung

Der Gesetzentwurf geht mit seinem Regelungsinhalt über die Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.07.2018 (Az.: 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16) hinaus. Dieses hat bekanntlich anlässlich einer 5- und 7-Punkt-Fixierung festgestellt, dass die Maßnahmen jedenfalls dann, wenn sämtliche Gliedmaßen des Betroffenen mit Gurten am Bett festgebunden werden, eine Freiheitsentziehung darstellen. Wenig später wird in dem Urteil erläuternd ausgeführt, dass „die vollständige Aufhebung der Bewegungsfreiheit“ die einem Betroffenen noch verbleibende Freiheit, sich innerhalb einer Station oder seines Zimmers zu bewegen, nehme. Die Form der Fixierung „sei darauf angelegt, dem Betroffenen auf seinem Krankenbett vollständig bewegungsunfähig zu halten“. Wenig später ist davon die Rede, dass in dieser Form der Fixierung die Fortbewegungsfreiheit des Betroffenen „nach jeder Richtung hin vollständig aufgehoben“ wird. Da verfassungsrechtlich geschütztes Gut die Fortbewegungsfreiheit ist, geht es mithin um diese, allerdings unter der besonders qualifizierten Einschränkung dergestalt, dass die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird. Dieses beachtend ist eine Festlegung auf die genaue Anzahl der fixierten Körperstellen weder erforderlich noch zielführend. Wichtig ist die Grunderkenntnis der Eingriffsintensität. Aus diesem Grunde wiederholen einige der bisher ergangenen Landesgesetze den Wortlaut der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. 

Für Schleswig-Holstein ist keine nähere Beschreibung der Fixierung vorgesehen. In § 30 Abs. 3 Nr. 3 des Entwurfs wird lediglich von der „Fixierung durch mechanische Hilfsmittel einschließlich der medizinisch erforderlichen Medikation (Fixierungsmaßnahme)“ gesprochen. Die Begründung versucht zunächst noch eine an die Kriterien des Verfassungsgerichtes ausgerichtete Einschränkung, in dem sie davon spricht, dass eine Fixierungsmaßnahme dann vorliege, wenn dem betroffenen Menschen „seine Bewegungsfreiheit durch das Festbinden der Gliedmaßen an ein Krankenbett (fast) vollständig genommen wird“ (vgl. LT-Drucksache 19/1757, S. 58). Diese Verengung ist aber vor dem Hintergrund des klaren Wortlautes des geplanten Gesetzes nicht richtig. Zutreffend ist es vielmehr, wie die Begründung wenig später ausführt, dass unter dem Begriff der Fixierungsmaßnahme im Sinne des neuen Gesetzes „alle Formen der Fixierung durch mechanische Hilfsmittel zu verstehen“ seien (vgl. LT-Drucksache 19/1757, S. 58). Leider kann dem wenig später folgenden Zusatz nicht zugestimmt werden, dass die Fixierungsmaßnahme zwangsläufig eine „medikamentöse Sedierung sowie nach medizinisch fachlicher Abwägung und entsprechend der Erfordernisse des Einzelfalls eine Thromboseprophylaxe“ (so LT-Drucksache 19/1757, S. 58) beinhalte. Das mag vielleicht in gewissen Fällen so sein. Das Gesetz, dessen Tatbestand bei der gegebenen ganz erheblichen Eingriffsintensität klar und unmissverständlich formuliert sein muss, um den Erfordernissen des Gesetzesvorbehaltes zu entsprechen, gibt eben diese angebliche „zwangsläufige“ Verknüpfung ebenso wenig her wie die Gabe sedierender und somatischer Medikation. 

Zusammenfassend betrachtet ist es damit so, dass die neue Vorschrift nach ihrem Wortlaut und der Begründung für jede Art der Fixierung durch mechanische Hilfsmittel gilt. Damit ist das bloße Festbinden eines Handgelenkes pp. ebenso erfasst wie eine 7-Punkt-Fixierung. Nun ist es sicherlich so, dass der Landesgesetzgeber gegenüber den Festlegungen des Bundesverfassungsgerichtes engere Voraussetzungen schaffen, den Richtervorbehalt auf weitere Tatbestände ausdehnen kann. Ob dies aber tatsächlich so sein muss, ist durchaus zu hinterfragen. Vor allen Dingen ergeben sich erhebliche praktische Auswirkungen, da eine Vielzahl von gerichtlichen Anordnungsverfahren bezüglich der Sicherung die Folge sein werden, die wegen der erheblichen Begleitvoraussetzungen des § 30 Abs. 6 Satz 3 des Entwurfs, vor allem aber wegen § 30 Abs. 7 des Entwurfs kaum umzusetzen sein werden.

Zu kritisieren ist auch, dass die Fixierungsmaßnahme im künftigen Maßregelvollzugsgesetz anders definiert werden soll als im künftigen PsychHG. Nach § 28 Abs. 3 Nr. 3 des PsychHG in der Entwurfsfassung der Landesregierung (LT-Drucksache 19/1901) ist eine Fixierungsmaßnahme nur eine Fixierung durch mechanische Hilfsmittel, „welche die Fortbewegungsfreiheit des betroffenen Menschen nach jeder Richtung hin vollständig aufhebt“. Hier sollte die Gesetzgebung einheitlich erfolgen.

4. Antrag unter Beifügung eines ärztlichen Zeugnisses

Nach der Entwurfsbegründung ist dem Antrag auf richterliche Anordnung der Fixierungsmaßnahme ein ärztliches Zeugnis beizufügen (vgl. LT-Drucksache 19/1757, S. 59). Dies entspricht dem 4-Augen-Prinzip, wonach mindestens zwei Ärzte, nämlich der behördliche und dann der gerichtlich bestellte Arzt, eine freiheitsentziehende Fixierungsmaßnahme befürworten müssen.

Das Erfordernis eines dem Antrag beizufügenden ärztliches Zeugnisses muss jedoch auch in den Gesetzeswortlaut von § 30 Abs. 5 und Abs. 6 des Entwurfs aufgenommen werden.

5. Selbstgefährdung und freier Wille

Besondere Sicherungsmaßnahmen können nach § 30 Abs. 1 des Entwurfs dann angeordnet werden, wenn und solange die Gefahr besteht, dass der untergebrachte Mensch gegen Personen gewalttätig wird, sich selbst tötet oder erheblich verletzt.

Die Regelung beachtet nicht in ausreichendem Maße die hohen grundgesetzlichen Anforderungen eines gerechtfertigten Eingriffs in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 24.07.2018 (Az.: 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, Rn. 73 f.) ausgesprochen: „Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (…). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen (…). Dies gilt in besonderem Maße für präventive Eingriffe, die nicht dem Schuldausgleich dienen. Sie sind im Allgemeinen nur zulässig, wenn der Schutz anderer oder der Allgemeinheit dies erfordert (…). Allerdings kann eine Einschränkung der Freiheit der Person auch mit dem Schutz des Betroffenen selbst gerechtfertigt werden. … Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft kann daher die Befugnis einschließen, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustands und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen und auch zu fixieren, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden.“

Die Entscheidung des BVerfG zur Fixierung macht – wie auch schon vorangegangene Entscheidungen des BVerfG z.B. zur Unterbringung und zur Zwangsbehandlung – deutlich, dass das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit auch die Selbstschädigung, sei es in der Form der „Freiheit auf Krankheit“, sei es in der Form der „Freiheit zur Selbstverletzung“ umfasst. Das insoweit angesprochene Rechtsgut unterliegt der Disposition des Betroffenen; dem Staat steht es in diesem Fall nicht zu, den zur freien Willensbildung fähigen Betroffenen vor sich selbst zu schützen. Insofern ist eine Fixierung gegen den freien Willen des Betroffenen jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn allein eine Selbstgefährdung vorliegt.

Unter dem aus dem grundgesetzlichen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit herzuleitenden Primat der Willenshoheit ist es demzufolge geboten, die Fixierung bei Vorliegen einer Gefahr zur Selbstschädigung nur zuzulassen, wenn der Betroffene zu einer freien Willensbildung nicht in der Lage ist.

6. Qualifikation des die Fixierungsmaßnahme anordnenden Arztes

Zur Beteiligung des Arztes vor und nach der Fixierungsanordnung hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 24.07.2018 formuliert (Rn. 83): „Zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unabdingbar ist die Anordnung und Überwachung der Fixierung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung untergebrachter Personen durch einen Arzt.“

Der Entwurf entspricht dieser Maßgabe nicht, soweit eine Fixierungsmaßnahme bei Gefahr im Verzug erfolgen soll. § 30 Abs. 6 S. 1 des Entwurfs bestimmt zwar nun, dass eine besondere Sicherungsmaßnahme (und damit auch die Fixierung) nur durch einen Arzt angeordnet werden darf. Eine bestimmte Qualifikation des Arztes legt die Regelung indes nicht unmittelbar fest. Zwar kommt grundsätzlich über § 30 Abs. 1 S. 2 des Entwurfs der § 29 Abs. 4 des Entwurfs zur Geltung, der festlegt, dass Sicherungs- (und damit auch die Fixierungsmaßnahme) und Zwangsmaßnahmen nur durch einen Arzt bzw. eine Ärztin angeordnet werden dürfen, der bzw. die über Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie verfügt. Indes erlaubt § 29 Abs. 5 des Entwurfs Ausnahmen, wonach bei Gefahr im Verzug sogar nicht-ärztliches Personal Maßnahmen anordnen kann.

Wegen der gravierenden Risiken, die mit einer Fixierung verbunden sind, muss es unerlässlich sein, dass – auch bei Gefahr im Verzug – die Anordnung zu einer Fixierungsmaßnahme nur ein Arzt für Psychiatrie bzw. ein Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie erteilen darf. Insofern bedarf § 30 Abs. 6 S. 1 des Entwurfs einer entsprechenden Ergänzung

7. Gerichtliche Anordnung statt „Genehmigung“

In der konkreten Formulierung des § 30 Abs. 6 Sätze 2 und 4 des Entwurfs ist die Systematik verloren gegangen. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Sonderordnungsrechts sowie der sie begleitenden Maßnahmen, welche – wie hier – auf der Basis des öffentlichen Rechtes erfolgen, handelt es sich stets um Entscheidungen, die von Staats wegen bei Erfüllung gewisser Tatbestände ergehen. Das Gericht trifft also selbst die originäre Anordnungs-Entscheidung. Das gilt auch dann, wenn es nach einer behördlichen Entscheidung (bei Gefahr im Verzug) um die Fortdauer der Freiheitsentziehung geht.

Insofern ist es unzutreffend, dass in Satz 2 von der richterlichen Genehmigung die Rede ist. Gleiches gilt für Satz 4, in dem von der Anordnung und Genehmigung der Fixierungsmaßnahme gesprochen wird. 

8. Eins-zu-Eins-Betreuung

a) Allgemeines

Gesetzliche Regelungen zur Fixierung im Maßregelvollzug müssen auch die Maßstäbe des BVerfG zur Gewährleistung einer sogenannten Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches und pflegerisches Personal beachten. Diese besondere Form der Begleitung soll sicherstellen, dass der Betroffene in der besonderen Ausnahmesituation der Fixierung mit seiner besonderen Schwere des Eingriffs und der damit verbundenen Gesundheitsgefahren nicht allein gelassen wird und sich auch nicht allein gelassen fühlt. Gesetzlich eindeutig muss sich ergeben, dass mit einer Eins-zu-Eins-Betreuung ein ständiger und unmittelbarer Kontakt zwischen dem Personal der Einrichtung und dem Fixierten sichergestellt ist, dass das Personal für den Fixierten stets erreichbar ist und dass eine Videoüberwachung nicht ausreichend ist. Weiterhin ist es geboten, bei der Auswahl der Betreuungspersonen nicht hinter den Anforderungen des BVerfG zurückzubleiben. 

Nach § 30 Abs. 4 S. 1 des Entwurfs ist der von einer besonderen Sicherungsmaßnahme betroffene Mensch in besonderem Maße zu überwachen und betreuen. Dabei ist nach § 30 Abs. 7 S. 1 des Entwurfs bei der Sicherungsmaßnahme der Fixierung zu jedem Zeitpunkt eine Betreuung durch unmittelbaren Sicht- und Sprechkontakt zu geschultem Einrichtungspersonal sowie eine kontinuierliche Kontrolle der Vitalfunktionen sicherzustellen. Auf eine unmittelbare räumliche Anwesenheit kann auf Wunsch des Betroffenen oder in medizinisch begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden; ein ständiger Sicht- und Sprechkontakt außerhalb des Fixierungsraumes zu dem fixierten Menschen ist aufrecht zu erhalten.

b) Kontinuierliche Kontrolle der Vitalfunktionen

Zu § 30 Abs. 7 Satz 1 des Entwurfs stellt sich die Frage, wie die geforderte „kontinuierliche Kontrolle der Vitalfunktionen“ auszusehen hat. Nun muss sich während der Fixierung, wie im vorstehenden Absatz dargestellt, im Regelfall eine betreuende Sitzwache im selben Raum mit dem betroffenen Menschen aufhalten. Ist dem aber so, so kann allein dadurch die Kontrolle der Vitalfunktionen nicht erfüllt werden, soll das gesetzliche Merkmal einen eigenständigen Sinn entfalten. Es muss mithin mehr gefordert sein. Da es um Vitalfunktionen geht, die naturgemäß nicht sinnvoll in größeren Zeitabständen gemessen werden können, muss davon ausgegangen werden, dass ein Monitoring, wie es üblicherweise auf Intensivstationen stattfindet, gemeint ist. Dies würde neben dem personellen zusätzlich einen erheblichen technischen Aufwand für die Einrichtungen bedeuten. Möglicherweise allerdings war die Intention der Entwurfsverfasser auch eine andere. Sie lässt sich indes nicht feststellen, da die Begründung zu diesem Tatbestandsmerkmal keinerlei Ausführungen bereithält.

c) Geschultes Einrichtungspersonal

Die betreuende Begleitung des betroffenen Menschen im Rahmen seiner Fixierung hat nach § 30 Abs. 7 Satz 1 des Entwurfs durch „geschultes Einrichtungspersonal“ zu erfolgen. Ob diese Festlegung den Vorgaben des Verfassungsgerichtes entspricht, dürfte sehr fraglich sein. Denn der Wortlaut der Vorschrift lässt es ohne weiteres zu, dass jegliches Personal der Einrichtung, welches eine nicht näher spezifizierte Schulung durchlaufen hat, eingesetzt werden könnte. Dies aber ist gegenüber der Vorgabe der Verwendung von therapeutischem oder pflegerischem Personal ein klares Minus, was wegen der hinter der Begrifflichkeit stehenden Intention des Schutzes des Betroffenen so nicht hingenommen werden kann. Hierbei darf die vom Bundesverfassungsgericht formulierte Eins-zu-Eins-Betreuung nicht nur so verstanden werden, dass neben dem Fixierten stets und ständig eine Person sitzt, die lediglich eine Kontroll- oder Sicherungsfunktion einnimmt (vgl. S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ der DGPPN vom 10.09.2018, S. 209). Vielmehr ist eine persönliche, therapeutische Begleitung durch qualifiziertes Personal, das bei der Bewältigung der Krise hilft und zur Linderung der negativen Folgen der freiheitsbeschränkenden Maßnahme beiträgt, erforderlich (Vgl. S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ der DGPPN vom 10.09.2018, S. 209). Nur eine so verstandene Eins-zu-Eins-Betreuung wird der besonderen Schwere des Eingriffs durch eine Fixierung und den damit verbundenen Gesundheitsgefahren gerecht.

Vor diesem Hintergrund wäre die Übernahme der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Formulierung eindeutig empfehlenswert.

d) Fixierungsort

§ 30 Abs. 7 Satz 3 des Entwurfs regelt, dass die Fixierung in gesonderten Räumen durchgeführt werden soll. Bedauerlicherweise werden durch den Charakter der Norm als Sollvorschrift weiterhin in Ausnahmefällen Fixierungen auf Fluren pp. für zulässig erklärt, was für die Betroffenen eine ganz erhebliche Belastung darstellt. Hier wurde den Problemen der Einrichtungsbetreiber bei der Schaffung entsprechender Räume zu sehr nachgegeben; jedenfalls müssten Ausnahmen ausdrücklich an ganz eng umrissene Voraussetzung geknüpft werden.

e) Videoüberwachung

Zu Recht wird in der Entwurfsbegründung (LT-Drucksache 19/1757, S. 60) ausgeführt, dass eine Videoüberwachung bei der Eins-zu-Eins-Betreuung unzulässig sei. Dies muss indes in den Gesetzeswortlaut von § 30 Abs. 7 des Entwurfs ausdrücklich aufgenommen werden. Nur dann wird vermieden, dass in Anwendung von § 41 Abs. 2 S. 2 des Entwurfs doch eine Videoüberwachung in der Praxis stattfinden könnte.

9. Hinweispflicht

Nach § 30 Abs. 6 S. 3 des Entwurfs ist der untergebrachte Mensch nach Beendigung der Fixierung auf sein Recht hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme bei dem zuständigen Gericht überprüfen zu lassen. Diese Hinweispflicht soll allerdings nur dann bestehen, wenn die Fixierung nicht richterlich angeordnet worden ist. Indes ist zu berücksichtigen, dass in das Grundrecht auf Freiheit einer fixierten Person nicht allein durch eine richterliche Anordnung eingegriffen wird, sondern dass dies auch durch die Art und Weise der Durchführung der Fixierung der Fall sein kann. Wird zum Beispiel ein Betroffener aufgrund einer richterlichen Anordnung fixiert, wird er aber nicht Eins-zu-Eins betreut, sollte dem Betroffenen nicht nur die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes eröffnet werden, sondern sollte er über diese Möglichkeit auch angemessen informiert werden (vgl. hierzu auch § 327 FamFG und BGH NJW 1999, 3499 zum Verhältnis von präventivem und nachträglichem Rechtsschutz durch §§ 98, 105 StPO.). Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Beschluss über die Anordnung der Fixierung ist nicht ausreichend. Die Rechtsbehelfsbelehrung belehrt nur über die Rechtsmittel gegen die Anordnung der Fixierung. Sie gibt aber keinerlei Hinweise dazu, dass die Art und Weise der Durchführung einer Fixierung nachträglich gerichtlich überprüft werden kann.

10. Erfordernis eines Richtervorbehalts bei Isolierung (§ 30 Abs. 3 Nr. 1 des Entwurfs)

In § 30 Abs. 3 Nr. 1 des Entwurfs wird als weitere besondere Sicherungsmaßnahme die Unterbringung in einem besonderen Raum ohne gefährdende Gegenstände (Isolierung) geregelt. Nach der Festlegung der Norm ist diese Maßnahme ohne richterliche Anordnung möglich, und zwar unabhängig von ihrer Dauer. Dies erscheint in allen denkbaren Konsequenzen – gerade auch mit Blick auf die Fixierungsentscheidung des BVerfG vom 24.07.2018 (Az.: 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16) – sehr fraglich. Vor diesem Hintergrund der qualitativen Auswirkungen eines solches Eingriffs dürfte die Installation eines Richtervorbehalts bei längerwährenden oder regelmäßig wiederkehrenden Isolierungen im Rahmen der Unterbringung zwingend in Betracht zu ziehen sein. 

11. Erfordernis eines Richtervorbehalts bei sedierender Medikation (§ 30 Abs. 3 Nr. 2 des Entwurfs)

In § 30 Abs. 3 Nr. 2 des Entwurfs wird als weitere besondere Sicherungsmaßnahme die sedierende Medikation angeführt. Auch sie unterliegt, unabhängig von Art und Dauer, keinem gesetzlichen Richtervorbehalt. Die Begründung führt aus, dass es anders als bei der ärztlichen Zwangsmaßnahme nicht darum gehe, das langfristige Behandlungsziel zu erreichen, sondern eine Krisenintervention bzw. Gefahrenabwehr durchzuführen (LT-Drucksache 19/1757, S. 58). Vor diesem Hintergrund sei die Sedierung als milderes Mittel auch der Fixierung vorzuziehen. Bekanntlich sind Fixierungen im Sinne besonderer Sicherungsmaßnahmen zumeist kurzfristiger Natur. Sie können allerdings durchaus auch über mehrere Tage andauern. Ist nun die Ruhigstellung durch sedierende Medikamente ein milderes Mittel gegenüber der Fixierung, so fragt sich, ob man nicht bei der Prämisse der Begründung des Entwurfes den Gedanken einbeziehen muss, dass über mehrere Tage entsprechende Medikamente gegeben werden. Ist dem aber so, so dürfte bei der längerwährenden Ruhigstellung durch Medikamente eine zusätzliche Freiheitsentziehung im Rahmen der Unterbringung vorliegen, die einen Richtervorbehalt auslösen sollte. Es überrascht wenig, dass bei entsprechenden Sachverhalten die Notwendigkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 1906 Abs. 4 BGB anerkannt ist (beispielhaft Palandt-Götz, 78. Aufl. (2019), § 1906 BGB, Rn. 27). Das gänzliche Fehlen des Gedankens an eine richterliche Anordnung der dauerhaften Sedierung erscheint zumindest hinterfragenswert.

12. Verhältnismäßigkeit

Jegliches staatliches Handeln, das mit einem Eingriff in Rechte des Einzelnen verbunden ist, unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dies bedarf keiner besonderen Erwähnung. In der Folge darf es kein milderes, gleiches wirksames Mittel zur Erreichung des angestrebten Zweckes geben. Dies wird für alle Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen in der allgemeineren Vorschrift des § 29 Abs. 1 des Entwurfs ausgesprochen. Diesen Gedanken zu milderen Mitteln wiederholt § 30 Abs. 2 des Entwurfs an seinem Beginn für besondere Sicherungsmaßnahmen. Erheblich einschränkend wird dann zusätzlich ausgeführt, dass „Maßnahmen nach § 29 erfolglos geblieben“ sein müssen. Diese Regelung begegnet mehreren Bedenken. Sie dürfte einerseits realen Gegebenheiten gerade in einer Fixierungssituation nicht entsprechen. Sie entstehen zumeist aus einer akuten Krise heraus und müssen sehr oft zeitnah umgesetzt werden. Wenn dann gefordert wird, dass alle Maßnahmen des § 29 des Entwurfs, mithin zumindest die in § 29 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1-4 des Entwurfs ausdrücklich aufgeführten, durchgeführt sein müssen, dann wird die Gefahr, die es abzuwenden gilt, nicht in der gebotenen Form und mit der erforderlichen Sicherheit abgewendet werden können. Weiter stellt sich die Problematik, dass die in § 29 Abs. 2 Satz 2 des Entwurfs angeführten Maßnahmen nur beispielhaft aufgeführt sind. Wenn nun weiter gefordert wird, dass „Maßnahmen nach § 29 erfolglos geblieben“ sein müssen, dann stellt sich für den Rechtsanwender die Frage, was er neben den ausdrücklich aufgeführten Beispielen noch unternommen haben muss, um besondere Sicherungsmaßnahmen einleiten zu dürfen. Insgesamt gesehen erscheint die Formulierung in § 30 Abs. 2 des Entwurfs als zu eng. Es wäre dringend die Aufnahme eines Zusatzes zu empfehlen, dass entsprechende mildere Mittel entweder durchgeführt worden sind, diese aussichtslos erscheinen oder aber wegen Gefahr im Verzug nicht durchgeführt werden können.

13. Belastung der Justiz

Schon derzeit macht sich die durch die Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 24.07.2018 entstandene Mehrbelastung für die Richter an Standorten, in deren Bezirken sich Kliniken, die die Aufgaben des Maßregelvollzugs wahrnehmen, befinden, sehr deutlich bemerkbar. Der Entwurf sorgt nun durch die Regelung des Richtervorbehalts für jedwede Fixierung (also z.B. auch die 1-Punkt-Fixierung) für eine noch weitergehende Belastung der Richter.

Jedoch übergeht der Entwurf eine solche sicher zu erwartende Belastung der Richterschaft vollständig und erwähnt sie überhaupt nicht. Die Sichtweise der Landesregierung beschränkt sich bei dem Punkt „Kosten und Verwaltungsaufwand“ (LT-Drucksache 19/1757, S. 3) allein auf die Einrichtungen des Maßregelvollzugs.

Die Gerichte sind aber nur dann in der Lage, die Vorgaben des BVerfG zu erfüllen, wenn sie über eine angemessene personelle und sächliche Ausstattung verfügen. Insofern fordert der Schleswig-Holsteinische Richterverband, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Ausstattung für den Mehraufwand bei den Gerichten sicherstellt.