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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen (PsychHG) (LT-Drucksache 19/1757)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu dem Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen (PsychHG) (LT-Drucksache 19/1901) folgendermaßen Stellung:

Schon derzeit macht sich die durch die Umsetzung der Entscheidung des BVerfG vom 24.07.2018 entstandene Mehrbelastung für die Richter – sei es im ordentlichen Dienst, sei es im Bereitschaftsdienst – sehr deutlich bemerkbar. Der Gesetzentwurf verstetigt diese gravierende Mehrbelastung. Die Gerichte sind aber nur dann in der Lage, die Vorgaben des BVerfG zu erfüllen, wenn sie über eine angemessene personelle und sächliche Ausstattung verfügen. Insofern fordert der Schleswig-Holsteinische Richterverband, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Ausstattung für den Mehraufwand bei den Gerichten sicherstellt.

I.)         Grundsätzliches

Die Entstehung des vorliegenden Entwurfes eines Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen ist im Hinblick auf das auslösende Moment ebenso wie in zeitlicher Hinsicht in ganz erheblichem Maße zurückzuführen auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.07.2018[1], welche sich mit Fixierungen auf der Grundlage entsprechender Landesgesetze von Bayern und Baden-Württemberg befasst. Die geplante Neuregelung beschränkt sich allerdings nicht auf den in der Entscheidung behandelten Komplex der zusätzlichen Freiheitsentziehung im Rahmen einer bestehenden Unterbringung. Sie bringt vielmehr eine vollständige Neukodifikation zur Frage des Umganges mit Menschen, die an psychischen Störungen bzw. Krankheiten leiden. Beginnend mit der Bezeichnung des Gesetzes werden in § 1 PsychHG-E die medizinischen Grundlagen ebenso neu bezeichnet wie nachfolgend die betroffenen Personen, es werden der sozialpsychiatrische Dienst und vorgelagerte Hilfen ausdifferenziert und erweitert, vor allen Dingen aber werden der Vollzug der Unterbringung und die in ihrem Rahmen möglichen Maßnahmen, insbesondere die gegen den Willen des Betroffenen erfolgenden, detailliert geregelt. Am Ende liegt ein Zuwachs von zehn Vorschriften gegenüber dem zurzeit noch geltenden Gesetz vor. Des Weiteren besitzen die neu gefassten und hinzugekommenen Normen zum Teil erheblichen Umfang, so dass insgesamt von einer erheblichen Erweiterung des Regelungsgehaltes gesprochen werden kann.

 

Die Überarbeitung betrifft indes nicht alle Inhalte des zurzeit noch geltenden Gesetzes. Während dem Bewusstseinswandel vieler Bereiche der Gesellschaft gegenüber psychischen Störungen bzw. Erkrankungen umfänglich Rechnung getragen wird und dem Bereich der Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen während einer Unterbringung sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, bleiben andere Vorschriften nahezu unverändert. In der Folge ergibt sich so ein uneinheitliches Bild, welches das grundsätzlich zu begrüßende Vorhaben einer neuen umfassenden Kodifikation in seiner abschließenden Bewertung an mancher Stelle kritikwürdig erscheinen lässt.

II.)        Zu den Regelungen im Einzelnen

1.)       § 1 PsychHG-E

a)        Begriff der Störung

In § 1 Abs. 1 Ziff. 1 PsychHG-E, welcher wie bisher den Anwendungsbereich des Gesetzes ebenso festlegt wie seine Grundsätze, erfolgt eine Abkehr von dem Begriff des „psychisch kranken Menschen“. Ausgehend vom neuen Oberbegriff der psychischen Störung erfolgt die für das gesamte Gesetz geltende terminologische Festlegung, dass die aufgrund dieser Störung hilfsbedürftigen Personen als „betroffene Menschen“ bezeichnet werden. In § 1 Abs. 2 PsychHG-E wird dann eine Umschreibung der relevanten psychischen Störung vorgenommen, wobei die Definition im Plural abgefasst ist, der einleitende Begriff im Singular. Die Abkehr vom Begriff der psychischen Erkrankung bzw. Krankheit wird in der Begründung gerechtfertigt mit einer „Anpassung an den medizinischen Terminus“[2]. Abseits der vielfach im Bereich des Umganges mit psychisch erkrankten Personen anzutreffenden Tendenz zu Euphemismen ist die behauptete Überfälligkeit nicht so evident, wie es scheint. Zunächst kann im Hinblick auf die psychiatrische Terminologie darauf hingewiesen werden, dass die Abkehr vom Krankheitsbegriff keineswegs so einhellig ist, wie die Begründung behauptet[3]. In juristischer Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass alle entsprechenden Gesetze der Bundesländer den Terminus der Erkrankung weiter verwenden[4].

Auch ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung,

  • dass in § 1896 Abs. 1 Satz BGB weiterhin von einer „psychischen Krankheit“ die Rede ist,
  • dass alle im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens abzugebenden Äußerungen von Ärzten, sei es in Form eines Gutachtens oder eines ärztlichen Zeugnisses, eine Diagnose zu enthalten haben, die sich idealiter an dem den Terminus Krankheit verwendenden ICD 10 zu bemessen hat[5],
  • dass es sich bei den meisten Fällen der Unterbringung in diagnostischer Hinsicht um Störungen von Krankheitswert handelt und
  • dass im Rahmen der Freiheitsentziehung eine Behandlung stattzufinden hat und diese weiterhin in Krankenhäusern, nicht in „Störungshäusern“ stattfindet.

Des Weiteren ist es für die richterliche Anordnung der Freiheitsentziehung problematisch, dass das Gesetz in § 1 Abs. 2 PsychHG-E zu verstehen gibt, dass nicht jede psychische Störung eine Grundlage für eine Unterbringung sein kann, sondern nur eine „solche, die nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftig“ ist. Damit aber ist bereits auf tatbestandlicher Ebene eine zweifelsfreie Subsumtion durch das Gericht nicht möglich, sondern die Bejahung der maßgeblichen Störung von der Einschätzungsprärogative des Arztes in Bezug auf eine tatsächliche Behandlung abhängig. Dieses ist im Hinblick auf den Grundrechtseingriff „Freiheitsentziehung“ in gesetzestechnischer Hinsicht unzureichend.

b)        Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht

In § 1 Abs. 4 PsychHG-E wird entsprechend der neueren Tendenz zur aktuell selbstbestimmten und vorausschauend selbstbestimmenden Fürsorge eine Förderung der „Erstellung von Patientenverfügungen, Behandlungsvereinbarungen und ähnlichen Instrumenten“ angesprochen. An wen sich diese Vorschrift richtet, wer also die Beförderung der Instrumente aktiv vornehmen soll, erschließt sich nicht.

Nicht ausdrücklich in § 1 Abs. 4 PsycHG-E ist die Vorsorgevollmacht aufgenommen. Wenigstens der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass unter „ähnlichen Instrumenten“ auch eine Vorsorgevollmacht verstanden werden soll. Es ist jedoch (rechtspolitisch) ein falsches Zeichen, wenn der Landesgesetzgeber Vorsorgevollmachten nicht für so wichtig hält, dass es zu einer gesetzlichen Aufzählung in einer Regelung reicht, welche korrespondierende Rechtsfiguren zum Gegenstand hat.

2.)       § 2 PsychHG-E

Die ausdrückliche Festschreibung der Einrichtung eines sozialpsychiatrischen Dienstes ist im Sinne der in § 1 Abs. 6, 7 PsychHG-E vorgenommenen Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes uneingeschränkt zu befürworten. Diese schon aus rechtlichen Erwägungen abzuleitende Feststellung lässt sich in empirischer Hinsicht nachhaltig untermauern. So ist beispielsweise für den Kreis Segeberg nach der Einführung eines entsprechenden Krisendienstes im Jahr 2018 deutlich geworden, dass durch die Intensivierung der im Rahmen dieses Dienstes tätigen Akteure Unterbringungen in weit mehr als ein Drittel der Fälle vermieden werden konnten.

3.)       § 7 PsychHG-E

§ 7 Abs. 3 PsychHG-E verdeutlicht wie bisher den Vorrang der bürgerlich-rechtlichen Unterbringung, der sich aus dem Umkehrschluss der ausdrücklich getroffenen Regelung ergibt. Dies ist uneingeschränkt zu begrüßen. Kann nämlich eine Unterbringung nach dem PsychHG-E „auch“ dann erfolgen, wenn der Vertretungsberechtigte auf der Basis seiner Kompetenzen eine Freiheitsentziehung nicht veranlasst, so ist dies im Umkehrschluss nicht möglich, wenn er entsprechend tätig wird.

In § 7 Abs. 4 PsychHG wird der Vorrang jeglicher Form der bereits erfolgten Unterbringung auf anderer rechtlicher Grundlage (z.B.: BGB, StGB, StPO, JGG), insbesondere aber der unter dem Fürsorgegesichtspunkt stehenden zivilrechtlichen Unterbringung, vor der gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahme verstärkt.

Die Vorschrift ist allerdings unvollständig. So kann eine Unterbringung auf der Grundlage des bürgerlichen Rechtes auch in einer Pflegeeinrichtung erfolgen. Dann aber ist ein Vorrang vor der Unterbringung im Krankenhaus nicht gegeben, da der die Freiheitsentziehung im Pflegeheim legitimierende Beschluss eine solche in einem Krankenhaus nicht rechtfertigt[6]. Ferner ist die Aussage, „dass die Gefahr“ „in der Regel“ „durch die andere Unterbringung abgewendet werden kann“, nicht richtig, wenn die bürgerlich-rechtliche Unterbringung auf der alleinigen Grundlage des § 1906 Abs. 1 Ziff. 2 BGB erfolgt. Denn hier spielt der Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr keine Rolle. Nun wird nicht verkannt, dass im Wortlaut der Vorschrift eine Einschränkung durch den Zusatz „in der Regel“ erfolgt, doch dürfte der Wortlaut der Vorschrift bei den Betroffenen ebenso wie bei den mit dem Vollzug befassten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kliniken zu erheblicher Verunsicherung führen.

4.)       § 8 PsychHG-E

§ 8 PsychHG-E regelt wie die Vorgängervorschrift die formellen Voraussetzungen eines durch den Kreis und die kreisfreie Stadt an das Amtsgericht zu stellenden Unterbringungsantrag. Aus der Vorschrift herausgenommen und nunmehr in § 29 Abs. 4 PsychHG-E verortet ist allerdings die Frage der Antragstellung der Behörde bei der Durchführung ärztlicher Zwangsmaßnahmen. Das ist aus gesetzessystematischen Gründen durchaus zu begrüßen.

§ 8 Abs. 2 PsychHG-E formuliert, dass dem schriftlichen Unterbringungsantrag eine ärztliche Stellungnahme beizufügen sei. Das bisherige Erfordernis eines Gutachtens wird aufgegeben.

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband begrüßt diese Änderung.

Denn seit dem Jahre 2009 ist durch das Gesetz zur Regelung des gerichtlichen Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) aufgrund des ausdrücklich Strengbeweises im Verfahren der Betreuungs- und Unterbringungssachen sowie der Festschreibung der Pflicht zur Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens in §§ 278, 321 FamFG eine andere Sachlage eingetreten, auf die auch das öffentlich-rechtliche Unterbringungsrecht zu reagieren hatte. Sind doch die Anforderungen an den Inhalt eines Gutachtens hoch[7] und die inhaltlichen Voraussetzungen durch die Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes hinlänglich genau ausgeformt[8]. Bei Zugrundelegung dieser allgemein anerkannten Kriterien konnte und kann es keinen Zweifeln unterliegen, dass in der seit Jahren bestehenden Praxis durch die Kreise und die kreisfreien Städte mitnichten „Gutachten“ im Sinne des Verfahrensrechtes zusammen mit dem Antrag eingereicht wurden und werden, sondern bestenfalls ärztliche Zeugnisse, wobei auch die hieran zu stellenden Anforderungen[9] oftmals kaum eingehalten werden. Aus diesem Grunde muss noch einmal positiv hervorgehoben werden, dass nun endlich zur Vereinheitlichung der Terminologie im gerichtlichen Verfahren eine Veränderung der Bezeichnung erfolgen soll.

Bedauerlicherweise wird in der Gesetzesbegründung[10] im Rahmen der ärztlichen Stellungnahme immer wieder von „Begutachtung“, „Begutachtungssituation“ und „Gutachtern“ gesprochen. Derartige Formulierungen sind höchst missverständlich.

5.)       § 11 PsychHG-E

Die Vorschrift regelt die vorläufige Unterbringung durch den Kreis oder die kreisfreie Stadt. Sie entspricht im Wesentlichen der Vorgängerregelung.

Im Zuge der Neufassung des gesamten Gesetzes hätte allerdings die unverändert erfolgende Bezugnahme des § 11 Abs. 1 Satz 1 a.E. PsychHG-E auf § 8 Abs. 2 PsychHG-E neu formuliert werden sollen. Denn es geht nicht um die Beifügung einer ärztlichen Stellungnahme als Anlage zu einem schriftlichen Antrag, sondern um die konstitutive Einholung einer ärztlichen Expertise vor dem Erlass einer behördlichen Entscheidung. Dies ist ein entscheidender Unterschied, der eine entsprechende Geltung schwierig macht. Eine konkrete Formulierung hätte dieses Missverständnis leicht ausräumen können.

6.)       § 12 PsychHG-E

§ 12 Abs. 1 Satz 1 PsychHG-E schreibt für die Zeit des Vollzuges der Unterbringung des betroffenen Menschen im Hinblick auf weitere Einschränkungen seiner Freiheit die Geltung des Gesetzesvorbehaltes einfachrechtlich fest. Dieses ist im Sinne der Rechtsklarheit sehr zu begrüßen. Gleiches gilt für die in § 12 Abs. 2 PsychHG-E vorgesehene Aufklärung des Betroffenen über seine Rechte (insbesondere die Möglichkeit eines Vorgehens nach § 327 FamFG) und die Inanspruchnahme weiterer Hilfsmöglichkeiten und -institutionen. Die Dokumentation der Vornahme der Aufklärung wird allerdings nicht weiter geregelt.

7.)       § 13 PsychHG-E

§ 13 PsychHG-E regelt wie die Vorgängervorschrift den Vollzug der Unterbringung und stellt diesen systematisch korrekt in die alleinige Verantwortung des Kreises oder der kreisfreien Stadt.

§ 13 Abs. 2 PsychHG-E bringt für Schleswig-Holstein ein Novum. Schon immer konnte die Unterbringung in einem geeigneten Krankenhaus erfolgen. Nun aber soll dies auch in einem Krankenhaus, das keine Psychiatrie darstellt und dementsprechend keine geschlossenen Abteilungen vorhält, erfolgen können, wenn auf der Grundlage der festgestellten psychiatrischen Störung oder einer gänzlich anderen Erkrankung „vorrangig eine somatische Behandlung“ erforderlich wird. Diese Vollzugsregelung erscheint dogmatisch problematisch.

Nach allgemeiner Ansicht liegt eine Unterbringung dann vor, wenn auf der Grundlage einer aufenthaltsbezogenen Entscheidung eines hierzu Berechtigten dem Betroffenen in einer hierauf spezialisierten Einrichtung die Fortbewegungsfreiheit entzogen und sein Aufenthalt überwacht sowie die Kontaktaufnahme mit Personen von außerhalb eingeschränkt wird, er schließlich mit der Maßnahme nicht einverstanden ist oder diesbezüglich keinen oder keinen freien Willen bilden kann[11].

Da keine einzelfallbezogene Betrachtung vorgenommen werden darf, liegt demgegenüber dann, wenn lediglich eine Person von der Freiheitsentziehung betroffen wird, eine unterbringungsähnliche Maßnahme vor. Dies ist z.B. der Fall, wenn nur eine einzige Zimmertür der Station verschlossen wird[12].

Dementsprechend ist in einer somatischen Klinik eine Unterbringung im Sinne der klassischen Definition und Lehre nicht möglich[13]. Aus diesem Grunde nimmt beispielsweise das hamburgische Landesrecht, das ein zwangsweises Festhalten auch in allgemeinen Krankenhäusern erlaubt, eine landesspezifische Bestimmung des Unterbringungsbegriffes vor[14]. Ob dies so ohne weiteres möglich ist, weil in der Sache eine Abkehr von einer anerkannten Definition vorliegt, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre dies der einzig richtige Weg auch für Schleswig-Holstein gewesen; ohne Definition bzw. Änderung der Begrifflichkeit dürfte die Unterbringung in einem somatischen Krankenhaus unter Beachtung des vom neuen Gesetz selbst mehrfach zu Recht betonten Gesetzesvorbehaltes kaum möglich sein. Auch kann nicht ohne Beachtung bleiben, dass das Bundesverfassungsgericht im bereits mehrfach angesprochenen Urteil vom 24.07.2018[15] den Gesetzesvorbehalt und aus ihm folgend die Bestimmtheit der Norm in Tatbestand und Rechtsfolge bei gravierenden Grundrechtseingriffen weiter bekräftigt hat. Insofern erscheint der vom Landgericht Lübeck im Jahre 2012[16]  gewählte Weg einer Legitimation der Unterbringung in einer somatischen Klinik seit dem Sommer 2018 nicht mehr gangbar[17]. Und schließlich: selbst dann, wenn man die Möglichkeiten der Auslegung, wie sie das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Zwangsbehandlung vom Grundsatz her zugebilligt hat[18], in einem äußerst weitgehenden Sinne zulassen wollte, so wäre im Sinne einer Gesetzesklarheit und der Verständlichkeit für den Adressaten eine der Hamburger Vorschrift entsprechende Vorgehensweise in jedem Fall geboten.

Eine Unterbringung in somatischen Krankenhäusern könnte übrigens auch bedeuten, dass gegen Herzinfarkt- oder Schlaganfallpatienten, die sich auf Intensivstationen in somatischen Krankenhaus Zugänge ziehen, eine Unterbringungsanordnung und eine Fixierungsanordnung ergehen könnte. Der Entwurfsbegründung lässt sich nicht entnehmen, ob eine solche Rechtsanwendung bedacht worden ist. Jedenfalls erscheint rechtspolitisch diskutabel, ob diese Rechtsanwendung von den betroffenen Menschen im Nachhinein verstanden werden würde.

Unabhängig von der Frage der dogmatisch problematischen Ermöglichung einer „Unterbringung“ bzw. Freiheitsentziehung in einer somatischen Klinik verbliebe stets das gravierende Problem, dass gemäß dem § 13 Abs. 3 PsychHG-E nicht nur eine Übertragung hoheitlicher Aufgaben durch Kreise und kreisfreie Städte auf das betreffende Krankenhaus erfolgen muss. Nach Satz 4 dieser Vorschrift bedarf darüberhinausgehend die Beschäftigung des mit dem Vollzug betrauten Personals der nicht-öffentlichen Krankenhausträger der Zustimmung der Aufsichtsbehörde im Hinblick auf die fachliche und persönliche Eignung. Diese Voraussetzung stellt die maßgebenden Gebietskörperschaften bereits in Bezug auf die psychiatrischen Krankenhäuser vor kaum zu bewältigende Aufgaben; es darf getrost hinterfragt werden, ob die erforderlichen Prüfungen landesweit in der gebotenen Stringenz durchgeführt werden. Soll nun allerdings die Unterbringung auch auf der Intensivstation pp. eines allgemeinen Krankenhauses vollzogen werden, so dürfte dies auf absehbare Zeit mangels ununterbrochener Legitimationskette und damit Erfüllung der Voraussetzungen aus § 13 Abs. 3 Satz 4 PsychHG-E jedenfalls nicht den Vorschriften entsprechend realisierbar sein. An diesem grundsätzlichen Kritikpunkt ändert auch die nunmehr geschaffene Möglichkeit der Einzelweisung aus Satz 5 der Vorschrift nichts. Denn das grundsätzliche Regel-Ausnahme-Verhältnis hat selbstverständlich in der Norm selbst Berücksichtigung zu finden.

8.)       § 14 PsychHG-E

§ 14 PsychHG-E modifiziert in einigen Punkten die bisher bestehende Regelung zur Behandlung des betroffenen Menschen. Der im Wesentlichen neu geschaffene Abs. 3 wiederholt die Aussagen aus § 630d Abs. 1 Sätze 1, 2, 4 BGB, ohne indes die entsprechende Regelungsdichte zu erreichen.

9.)       §§ 16-23 PsychHG-E

In den §§ 16-23 PsychHG-E werden - vor den Sondervorschriften über die Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen - nunmehr die dem Betroffenen möglicherweise aufzuerlegenden Beschränkungen, mögen sie im Rahmen der Ordnung des Krankenhauses erforderlich werden oder der Begegnung der bei der Unterbringung festgestellten Gefahr dienen, geregelt. Die systematische Neugestaltung ist gut geraten und uneingeschränkt zu befürworten. Gleiches gilt für die nunmehr erfolgte ausdrückliche Regelung der Durchsuchung in § 23 PsychHG-E. Die Regelung orientiert sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch wird die aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 10.10.2017[19] erfolgte Neuregelung des § 45b PStG in § 23 Abs. 3 PsychHG-E berücksichtigt.

10.)     § 24 PsychHG-E

§ 24 PsychHG-E befasst sich weiterhin mit der Beurlaubung des untergebrachten Patienten.

a)        Dauer der Beurlaubung nach § 24 Abs. 1 PsychHG-E

Die Möglichkeit wird in zeitlicher Hinsicht erweitert, nämlich von 7 auf 14 Tage. In § 24 Abs. 1 Satz 2 PsychHG-E wird eine weitere Verlängerung dieser Frist, nämlich bezogen auf den Zeitpunkt der Gabe einer nächsten Depotmedikation, zugelassen. Letzteres erscheint problematisch. Denn auf diesem Wege ist, da sich weder aus dem Gesetz noch aus der Begründung eine Einschränkung ergibt, zumindest theoretisch ein mehrwöchiger Zeitraum denkbar. Bei einer solchen längeren und unklaren Zeitspanne liegt die Annahme recht nahe, dass es sich bei der fortbestehenden Unterbringungsentscheidung um einen unzulässigen sogenannten Vorratsbeschluss handelt. Die gerichtliche Entscheidung ist dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie nicht mehr der mit hohen Hürden verbundenen Legitimation der Freiheitsentziehung dient, sondern dass sie allein deswegen unaufgehoben existent ist, um notfalls die nächste Medikamentengabe im geschlossenen Setting durchzuführen, oder dass sie als Druckmittel dazu besteht, den Betroffenen zu einer Compliance bei der Behandlung zu bewegen. Beide Erwägungen allerdings führen zur Unzulässigkeit der Aufrechterhaltung des Unterbringungsbeschlusses, der doch stets nur dann erlassen werden kann, wenn die Freiheitsentziehung zur Gefahrenabwehr unerlässlich ist.

b)        Beurlaubung bei nachträglichem Wegfall der Unterbringungsvoraussetzungen nach § 24 Abs. 2 PsychHG-E

§ 24 Abs. 2 PsychHG-E entspricht im Wesentlichen der Vorgängervorschrift und ermöglicht seitens der vollziehenden Behörde bzw. des Krankenhauses eine rasche Beendigung der Freiheitsentziehung durch die sofortige Beurlaubung für den Fall, dass „die Tatsachen und ärztlichen Beurteilungen, die der Unterbringung zu Grunde liegen, nicht oder nicht mehr vorliegen“. Grundgedanke dieser Regelung ist, dass niemandem ohne Notwendigkeit die Freiheit entzogen werden muss, auch wenn das anordnende Gericht die Aufhebung des zugrundeliegenden Beschlusses nicht bzw. noch nicht vornehmen kann. Die Vorschrift ist sinnvoll und notwendig, insbesondere im Zusammenspiel mit der Regelung in § 25 PsychHG-E über die Beendigung der Unterbringung.

§ 24 Abs. 2 S. 1 PsychHG-E sieht dann ferner eine Mitteilungspflicht vor, wonach das Krankenhaus den Kreis bzw. die kreisfreie Stadt benachrichtigt. Der Kreis bzw. die kreisfreie Stadt hat wiederum nach § 24 Abs. 3 Nr. 2 PsychHG-E das zuständige Amtsgericht zu unterrichten. Die Mitteilung ist erforderlich, damit das Amtsgericht zeitnah den die Unterbringung anordnenden Beschluss gemäß § 330 FamFG aufheben kann.

Nicht sachgerecht ist, dass das Krankenhaus nicht mehr – wie noch nach bisheriger Rechtslage – unmittelbar das Amtsgericht über die Beurlaubung informiert. Die Benachrichtigungskette Krankenhaus - Behörde - Amtsgericht führt zu zeitlichen Verzögerungen, die eine im Interesse des betroffenen Menschen liegende schnellstmögliche Aufhebung des Unterbringungsbeschlusses verhindert. Die Gesetzesbegründung[20] führt auch nicht aus, warum künftig auf die direkte Kommunikation zwischen Klinik und Amtsgericht verzichtet werden soll. Regelungsgedanke war wohl, dass die Behörde als entscheidungserhebliches Organ des Vollzuges die Beurlaubungsentscheidung der Klinik noch in eigener Kompetenz soll überprüfen können. Diese Möglichkeit folgt aber aus dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 PsychHG-E gerade nicht. Denn nach der ausdrücklichen Formulierung des Gesetzes haben Kreise und kreisfreie Städte das Amtsgericht „unverzüglich“ über die Beurlaubung zu unterrichten. Ein wie auch immer gearteter Entscheidungsspielraum ist der Vorschrift, die von ihrem Normcharakter eine Muss-Bestimmung darstellt, nicht zu entnehmen.

11.)     Absonderung (§ 27 Abs. 2 Nr. 3 PsychHG-E) ohne Richtervorbehalt?

§ 27 PsychHG-E regelt im Zusammenspiel mit § 28 PsychHG-E Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen in einem abgestuften Verhältnis. Die von der Norm erfassten, in § 27 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 1-4 PsychHG-E beispielhaft beschriebenen Maßnahmen, sind nach der Wertung des Gesetzes niederschwelliger Natur und sollen ohne Einschaltung des Gerichts allein durch die Ärzte des Krankenhauses, in Eilfällen sogar durch Vollzugskräfte im Sinne von § 252 Abs. 1, 2 LVwG (vgl. insoweit Abs. 5) angeordnet werden können. Dies fügt sich ein in die allgemeine Systematik, die ausgehend von der Schwere des Grundrechtseingriffes und unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Besonderheiten eine sich wiederholende Kompetenzhierarchie kennt. In Abstufung der Betrachtung beginnt sie bei der ausschließlichen präventiven Anordnung durch den Richter, wird gefolgt von der Eilkompetenz der Behörde bei nachträglicher Anordnung durch das Gericht, an diese schließt sich an die alleinige Anordnungskompetenz der Behörde. Danach kommen in besonderen Fällen eine Eilkompetenz eines Arztes des Krankenhauses mit der Notwendigkeit der Herbeiführung einer nachträglichen gerichtlichen Entscheidung, diese gefolgt von der alleinigen Kompetenz des Leiters des Krankenhauses (mit entsprechender Delegationsbefugnis bei Sicherstellung der Legitimationskette), hier nachfolgend die ausschließliche Kompetenz des Arztes und abschließend – darauf bezogen – in Eilfällen diejenige des Pflegepersonals. Vor dem Hintergrund dieser abgestuften Entscheidungskompetenz ist allerdings zu hinterfragen, ob die in § 27 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 PsychHG-E erwähnte „Absonderung von anderen Patientinnen und Patienten“ ohne richterliche Entscheidung durchgeführt werden darf. Denn nach der Begründung soll hierunter „die räumliche Trennung eines Betroffenen von anderen Patientinnen und Patienten“[21] zu verstehen sein. Sofern dies einzelfallbezogen geschieht, und so liegt es hier, läge keine „Unterbringung in der Unterbringung“, sondern - um mit betreuungsrechtlichen Termini zu sprechen - eine zusätzliche unterbringungsähnliche Maßnahme vor[22]. Jedenfalls für das Betreuungsrecht ist anerkannt, dass dann, wenn sich eine entsprechende Maßnahme über einen längeren Zeitraum erstreckt, diese auch bei bereits gerichtlich legitimierter Freiheitsentziehung einer weiteren richterlichen Genehmigung bedarf[23]. Vor diesem Hintergrund dürfte die Installation eines Richtervorbehalts bei längerwährenden oder regelmäßig wiederkehrenden Absonderungen im Rahmen der Unterbringung zwingend in Betracht zu ziehen sein.

12.)     § 28 PsychHG-E

§ 28 PsychHG-E regelt aufbauend auf die allgemeinen Sicherungs- und Zwangsmaßnahmen des § 27 PsychHG-E die Trias der in ihrer Eingriffsintensität über die allgemeinen Maßnahmen hinausgehenden besonderen Sicherungsmaßnahmen der Isolierung, der sedierenden Medikation sowie der Fixierung. Für alle Maßnahmen gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gleichermaßen.

a)        Fixierungsmaßnahmen

§ 28 Abs. 3 Ziff. 3 PsychHG-E bringt vor allem die Umsetzung des Urteiles des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.07.2018[24] für Schleswig-Holstein. Eine einheitliche Vorlage für die neue Norm existiert nicht, geben doch die geänderten bzw. neu geschaffenen Rechtsgrundlagen der schwerwiegenden Fixierung in den Landesgesetzen der Bundesländer ein sehr uneinheitliches Bild in Bezug auf die Voraussetzungen, ihre Ausgestaltung und die Begleitmaßnahmen ab.

(1)       Begriff der „Fixierung“

Der Gesetzentwurf orientiert sich mit seinem Regelungsinhalt an den Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes[25]. Dieses hat bekanntlich anlässlich einer 5- und 7-Punkt-Fixierung festgestellt, dass die Maßnahmen jedenfalls dann, wenn sämtliche Gliedmaßen des Betroffenen mit Gurten am Bett festgebunden werden, eine Freiheitsentziehung darstellen. Wenig später wird in dem Urteil erläuternd ausgeführt, dass „die vollständige Aufhebung der Bewegungsfreiheit“ die einem Betroffenen noch verbleibende Freiheit, sich innerhalb einer Station oder seines Zimmers zu bewegen, nehme. Die Form der Fixierung „sei darauf angelegt, dem Betroffenen auf seinem Krankenbett vollständig bewegungsunfähig zu halten“[26]. Wenig später ist davon die Rede, dass in dieser Form der Fixierung die „Fortbewegungsfreiheit“ des Betroffenen „nach jeder Richtung hin vollständig aufgehoben“ wird[27]. Da verfassungsrechtlich geschütztes Gut die Fortbewegungsfreiheit ist, geht es mithin um diese, allerdings unter der besonders qualifizierten Einschränkung dergestalt, dass die Bewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird. Dieses beachtend ist eine Festlegung auf die genaue Anzahl der fixierten Körperstellen weder erforderlich noch zielführend. Wichtig ist die Grunderkenntnis der Eingriffsintensität. Aus diesem Grunde wiederholen einige der bisher ergangenen Landesgesetze den Wortlaut der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes.

Für Schleswig-Holstein formuliert § 28 Abs. 3 Nr. 3 PsychHG, dass die Fixierung

  • durch mechanische Hilfsmittel (einschließlich der hiermit medizinisch notwendig verbundenen Medikation) erfolgt und
  • die Fortbewegungsfreiheit des betroffenen Menschen nach jeder Richtung hin vollständig aufhebt.

Insofern greifen die vorgeschlagenen gesetzlichen Anforderungen zur Fixierung nicht bei jedweder Fixierung (also etwa nicht bei der 1-Punkt-Fixierung), sondern lediglich bei 5-Punkt-, 7-Punkt- oder gar 9-Punkt-Fixierungen. Es kommt auf die vollständige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit an.

Anders als der vorgeschlagene Gesetzeswortlaut ist die Begründung des Entwurfs[28] widersprüchlich, weil es dort heißt, dass „die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für alle Fixierungsformen gelten“ würden. Das aber kann unter Berücksichtigung der Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes und des geplanten Wortlautes so nicht richtig sein.

Nicht  zugestimmt werden kann dem Vorschlag, dass die Fixierungsmaßnahme zwangsläufig eine „medikamentöse Sedierung sowie nach medizinisch fachlicher Abwägung und entsprechend der Erfordernisse des Einzelfalls eine Thromboseprophylaxe“ beinhaltet[29]. Das mag vielleicht in gewissen Fällen so sein. Das Gesetz, dessen Tatbestand bei der gegebenen ganz erheblichen Eingriffsintensität klar und unmissverständlich formuliert sein muss, um den Erfordernissen des Gesetzesvorbehaltes zu entsprechen, gibt eben diese angebliche „zwangsläufige“ Verknüpfung ebenso wenig her wie die Gabe sedierender und somatischer Medikation.

(2)       Antrag

§ 28 Abs. 5 Satz 2 PsychHG-E regelt, dass der Kreis oder die kreisfreie Stadt einen Antrag auf Anordnung der besonderen Sicherungsmaßnahme beim zuständigen Amtsgericht zu stellen hat. Dies ist sehr zu begrüßen. Die Verfahrensregelung behält auf diese Weise die grundsätzliche Systematik der Verfahrensherrschaft bei der öffentlich-rechtlichen Unterbringung bei. Sie erweist sich damit den bisher ergangenen Landesgesetzen überlegen, die hier sehr unterschiedliche und von der Systematik der Antragstellung zur Anordnung der Unterbringung zum Teil erheblich abweichende Regelungen getroffen haben.

Nach § 28 Abs. 5 Satz 2 PsychHG-E ist dem schriftlichen Antrag eine ärztliche Stellungnahme beizufügen. Der Schleswig-Holsteinische Richterverband begrüßt, dass auch bei einem Antrag auf Anordnung einer Fixierungsmaßnahme das Erfordernis eines Gutachtens aufgegeben worden ist.

Jedoch fehlt in § 28 Abs. 5 PsychHG eine dem § 8 Abs. 2 PsychHG entsprechende Regelung über

  • den erforderlichen Inhalt einer ärztlichen Stellungnahme sowie
  • die Qualifikation des die ärztliche Stellungnahme abgebenden Arztes.

(3)       Qualifikation des die Fixierung anordnenden Arztes

§ 28 Abs. 6 PsychHG-E regelt als Ausnahme zum generellen Richtervorbehalt des Abs. 5 in seinem Satz 1 die Eilkompetenz des Arztes sowie die notwendigen nachfolgenden Schritte einschließlich des Hinweises auf die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Überprüfung der Fixierungsmaßnahme. Dies geht konform mit den Aussagen des Bundesverfassungsgerichtes.

Wie schon bei § 28 Abs. 5 fehlt auch in § 28 Abs. 6 PsychHG-E eine Aussage zur Qualifikation des die Fixierung anordnenden Arztes. Auch in der Gesetzesbegründung finden sich hierzu keine weitergehenden Aussagen.

In der nun vorgesehenen Fassung dürfte mithin auch ein Arzt ohne jegliche Erfahrung in der Psychiatrie die erforderlichen Maßnahmen ergreifen dürfen. Ein solches Ergebnis mag der bereits dargestellten Annäherung an § 1906 Abs. 4 BGB entsprechen, da hier für das gerichtliche Verfahren schon immer nur ein ärztliches Zeugnis eines nicht besonders qualifizierten Mediziners erforderlich war. Auch korrespondiert es mit der Vorschrift des § 321 Abs. 2, 2. Alt. FamFG und würde Fixierungen im Bereich der somatischen Kliniken nachgerade erst möglich machen. Vor dem Hintergrund allerdings, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 24.07.2018 in Bezug auf den Charakter der Fixierungsmaßnahme eine enge Parallele zur ärztlichen Zwangsbehandlung gezogen hat[30], sowie eingedenk des Umstandes, dass in § 331 S. 1 Ziff. 2 FamFG für die im Wege der einstweiligen Anordnung zu treffende gerichtliche Entscheidung in Bezug auf eine ärztliche Zwangsmaßnahme der Ersteller des ärztlichen Zeugnisses Facharzt für Psychiatrie sein soll, er zumindest Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie aufweisen muss, ist die Regelung verfassungsrechtlich zweifelhaft[31].

(4)       Eins-zu-Eins-Betreuung

(a)       Allgemeines

§ 28 Abs. 7 PsychHG-E gestaltet eine durch das Bundesverfassungsgericht angesprochene Begleitvoraussetzung der Fixierung aus, die bundesweit zu erheblichen Irritationen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung geführt hat. Es hat nämlich gefordert, dass „jedenfalls bei einer 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung in der Unterbringung aufgrund der Schwere des Eingriffs und der damit verbundenen Gesundheitsgefahren grundsätzlich eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal zu gewährleisten“ sei[32]. Eine nähere Definition dieser Art der personellen Begleitung der Fixierungsmaßnahme hat das Verfassungsgericht nicht getroffen. In der Folge hat sich in der Gesetzgebung der Bundesländer eine unüberschaubare Vielfalt von Interpretationen ergeben. Sie reichen von der Übernahme der Formulierung einer Eins-zu-Eins-Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal ohne weitere Definition[33], über die Hinzufügung des zusätzlichen Tatbestandsmerkmales der ständigen persönlichen Anwesenheit[34], die ständige und unmittelbare Beobachtung[35], die geeignete und erforderliche Überwachung nebst ständiger persönlicher Begleitung[36], die ständige Betreuung durch therapeutisches oder pflegerisches Personal[37], die persönliche Betreuung in geeigneter Weise nebst unmittelbarer Anwesenheit im Raum, von der in Einzelfällen abgesehen werden kann[38], die durchgängige Beobachtung und fortlaufende Kontrolle der Vitalfunktionen[39], die ständige persönliche Bezugsbegleitung sowie Beobachtung mit kontinuierlicher Kontrolle der Vitalfunktionen[40], schließlich die angemessene und regelmäßige Überwachung sowie ständige Beobachtung[41] bis hin zur „ständigen Beobachtung“[42].

Für Schleswig-Holstein wird eine Kombination aus einigen der bereits bestehenden, soeben dargestellten Regelungen gewählt. Gefordert wird „zu jedem Zeitpunkt eine Eins-zu-Eins-Betreuung durch geschultes Krankenhauspersonal“ (Satz 1). Dabei soll auf eine unmittelbare räumliche Anwesenheit entweder auf Wunsch des betroffenen Menschen oder in medizinisch oder therapeutisch begründeten Ausnahmefällen verzichtet werden können. Allerdings muss eine „ständige Betreuung des fixierten Menschen“ sichergestellt werden (Satz 2).

Aus der Zusammenschau der Sätze 1 und 2 folgt zunächst, dass für den Regelfall eine unmittelbare und ununterbrochene Präsenz – so die Gesetzesbegründung[43] – erforderlich ist. Dies stellt einen ständigen Sicht- und Sprechkontakt innerhalb des Fixierungsraumes sicher. Ob genau dies durch das Bundesverfassungsgericht als zwingende Vorgabe gemeint war, mag dahingestellt bleiben, denn jedenfalls können durch die Landesgesetzgeber engere Voraussetzungen aufgestellt werden. Die nunmehr im Regelfall geforderte „Sitzwache“ wird jedenfalls auf Seiten der Kliniken einen erheblichen Personalbedarf erfordern. Dies gilt zunächst für psychiatrische Krankenhäuser, insbesondere aber auch für den im Entwurf vorgesehenen Fall des Vollzuges der Unterbringung in somatischen Kliniken.

(b)       Geschultes Krankenhauspersonal

Die betreuende Begleitung des betroffenen Menschen im Rahmen seiner Fixierung hat nach § 28 Abs. 7 Satz 1 PsychHG-E durch „geschultes Krankenhauspersonal“ zu erfolgen. Ob diese Festlegung den Vorgaben des Verfassungsgerichtes entspricht, dürfte sehr fraglich sein. Denn der Wortlaut der Vorschrift lässt es ohne weiteres zu, dass jegliches Personal der Klinik, welches irgendwann einmal eine nicht näher spezifizierte Schulung durchlaufen hat, eingesetzt werden könnte. Dies aber ist gegenüber der Vorgabe der Verwendung von therapeutischem oder pflegerischem Personal ein klares Minus.  Wegen der hinter der Begrifflichkeit stehenden Intention des Schutzes des Betroffenen kann diese Reduktion in der Begleitung des Fixierten nicht hingenommen werden. Denn die vom Bundesverfassungsgericht formulierte Eins-zu-Eins-Betreuung kann nicht nur so verstanden werden, dass neben dem Fixierten stets und ständig eine Person sitzt, die lediglich eine Kontroll- oder Sicherungsfunktion einnimmt.[44] Vielmehr ist eine persönliche, therapeutische Begleitung durch qualifiziertes Personal, das bei der Bewältigung der Krise hilft und auch fachgerecht helfen kann, wobei es damit zur Linderung der negativen Folgen der freiheitsbeschränkenden Maßnahme beiträgt, erforderlich.[45] Nur eine so verstandene Eins-zu-Eins-Betreuung wird der besonderen Schwere des Eingriffs durch eine Fixierung und den damit verbundenen Gesundheitsgefahren gerecht.

Vor diesem Hintergrund wäre die Übernahme der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Formulierung zumindest empfehlenswert, wenn nicht gar geboten gewesen.

(c)       Videoüberwachung

Die Begründung zu § 28 PsychHG-E führt im Rahmen der Ausführungen zur Fixierung aus, dass der „Einsatz von technischen Hilfsmitteln (Videoüberwachung) grundsätzlich unzulässig“ sei[46]. Dies allerdings ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht. Wenn eine entsprechende Beschränkung in der Intention des Gesetzgebers liegen sollte, hätte es einer ausdrücklichen Normierung bedurft. Die entsprechende Formulierung hätte sich an die bestehende Vorschrift des § 20 Abs. 3 Satz 5 PsychKG NRW anlehnen können.

(5)       Hinweispflicht

Nach § 28 Abs. 6 S. 4 PsychHG-E ist der betroffene Mensch nach Beendigung der Fixierung auf sein Recht hinzuweisen, die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahme bei dem zuständigen Gericht überprüfen zu lassen. Diese Hinweispflicht soll allerdings nur dann bestehen, wenn über die Fixierung „nicht richterlich entschieden“ worden ist. Indes ist zu berücksichtigen, dass in das Grundrecht auf Freiheit einer fixierten Person nicht allein durch eine richterliche Anordnung eingegriffen wird, sondern auch durch die Art und Weise der Durchführung der Fixierung. Wird zum Beispiel ein Betroffener aufgrund einer richterlichen Anordnung fixiert, dabei nicht in der gebotenen Form „Eins-zu-Eins“ betreut, sollte dem Betroffenen nicht nur die Möglichkeit nachträglichen Rechtsschutzes eröffnet werden. Man sollte ihn über diese Möglichkeit auch angemessen informieren[47]. Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem gerichtlichen Beschluss über die Anordnung der Fixierung ist hierzu nicht ausreichend. Sie belehrt nur über die Rechtsmittel gegen die Anordnung der Fixierung, gibt aber keinerlei Hinweise darüber, dass die Art und Weise der Durchführung einer Fixierung nachträglich gerichtlich überprüft werden kann.

(6)       Dokumentationspflicht

§ 28 Abs. 8 PsychHG-E regelt umfängliche Dokumentationspflichten bezüglich der Begleitumstände der Fixierung, die zwar die Kliniken stark belasten, jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der weitgehenden Rechtsschutzmöglichkeiten (und des Hinweises an den Betroffenen hierüber) für alle Beteiligten sehr zu empfehlen sind.

b)        Isolierung

In § 28 Abs. 3 Ziff. 1 PsychHG-E wird als weitere besondere Sicherungsmaßnahme die Unterbringung in einem besonderen Raum ohne gefährdende Gegenstände (Isolierung) geregelt. Nach der ausdrücklichen Festlegung der Norm ist diese Maßnahme ohne richterliche Anordnung möglich, und zwar unabhängig von ihrer Dauer. Dies erscheint in allen denkbaren Konsequenzen sehr fraglich. Insofern liegt eine Parallele zu § 27 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 3 PsychHG-E („Absonderung von anderen Patientinnen und Patienten“) vor. Die dort bereits getätigten, einen nahezu identischen Sachverhalt behandelnden Ausführungen, gelten insoweit ohne Einschränkung gleichermaßen. Verschärfend für den Betroffenen kommt noch hinzu, dass die über die Unterbringung hinausgehende Freiheitsbeschränkung des Betroffenen nicht in seinem eigenen Zimmer, sondern in einer anderen Umgebung geschieht. Dass die qualitativen Auswirkungen innerhalb desselben Grundrechtseingriffes für die Frage der richterlichen Befassung mit einer entsprechenden Anordnung eine erhebliche Rolle spielen, zeigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 24.07.2018[48] sehr deutlich.

c)        Sedierende Medikation

In § 28 Abs. 3 Ziff. 2 PsychHG-E wird als weitere besondere Sicherungsmaßnahme die sedierende Medikation angeführt. Auch sie unterliegt, unabhängig von Art und Dauer, keinem gesetzlichen Richtervorbehalt. Die Begründung führt aus, dass es anders als bei der ärztlichen Zwangsmaßnahme nicht darum gehe, das langfristige Behandlungsziel zu erreichen, sondern eine Krisenintervention bzw. Gefahrenabwehr durchzuführen[49]. Vor diesem Hintergrund sei die Sedierung als milderes Mittel auch der Fixierung vorzuziehen. Bekanntlich sind Fixierungen im Sinne besonderer Sicherungsmaßnahmen zumeist kurzfristiger Natur. Sie können allerdings durchaus auch über mehrere Tage andauern. Ist nun die Ruhigstellung durch sedierende Medikamente ein milderes Mittel gegenüber der Fixierung, so fragt sich, ob man nicht bei der Prämisse der Begründung den Gedanken einbeziehen muss, dass über mehrere Tage entsprechende Medikamente gegeben werden. Ist dem aber so, so dürfte bei der längerwährenden Ruhigstellung durch Medikamente eine zusätzliche Freiheitsentziehung im Rahmen der Unterbringung vorliegen, die einen Richtervorbehalt auslösen sollte. Es überrascht wenig, dass bei entsprechenden Sachverhalten die Notwendigkeit einer betreuungsgerichtlichen Genehmigung gemäß § 1906 Abs. 4 BGB anerkannt ist[50]. Gerade vor dem Hintergrund der die Anforderung des Bundesverfassungsgerichtes an die Fixierung in mehrerer Hinsicht erweiternden Regelung des § 28 PsychHG-E, welche sich dem Regelungsbereich des § 1906 Abs. 4 BGB wie bereits dargestellt annähert, erscheint das gänzliche Fehlen des Gedankens an eine richterliche Anordnung der dauerhaften Sedierung verfassungsrechtlich sehr bedenklich.

13.)     § 29 PsychHG-E

Durch § 29 PsychHG-E wird die ärztliche Zwangsmaßnahme nunmehr in einer gesonderten Vorschrift geregelt, während sie im aktuell geltenden Recht noch in die allgemeine Behandlungsvorschrift des § 14 PsychKG integriert ist. Dabei werden die zur Zeit geltenden Regelungen zwar weitestgehend übernommen, jedoch zum Teil anders strukturiert. Die in der einleitenden Prämisse der Gesetzesbegründung[51] enthaltene Aussage, dass ein Schwerpunkt der Novellierung die „Änderung der Gesetzessystematik hinsichtlich des Verfahrens zur Anordnung der Unterbringung und der ärztlichen Zwangsbehandlung“ sei, kann allerdings im Normentext nicht wiedergefunden werden. Auch ist nicht ganz zu verstehen, warum der Terminus der „Zwangsbehandlung“ verwendet wird, wo doch seit dem Jahre 2013 in diesem Kontext wie in § 29 PsychHG-E selbst nur von der „ärztlichen Zwangsmaßnahme“ die Rede ist.

Es ist sehr zu begrüßen, dass § 29 Abs. 3 Satz 3 PsychHG-E die Eilkompetenz der Behörde für die ärztliche Zwangsmaßnahme, die sich zurzeit noch in § 11 Abs. 3 PsychKG findet, übernommen hat. Diese bundesweit beachtete Regelung schafft Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte im Krankenhaus, indem sie ein Vorgehen über den lediglich nach § 34 StGB legitimierten Bereich verhindert. Sie bewegt sich überdies konsequent im abgestuften System der Kompetenz bei Eilentscheidungen.

14.)     § 44 PsychHG-E

§ 44 Abs. 1 PsychHG-E enthält eine Übergangsvorschrift und erlaubt bis zum 31.12.2026 Ausnahmen in der Anwendung von § 28 Abs. 2 (Vorrang milderer Maßnahmen nach § 27 PsychHG-E) und Abs. 7 PsychHG-E (Eins-zu-Eins-Betreuung bei Fixierungsmaßnahmen; Ort der Fixierungs- bzw. Isolierungsmaßnahme). Beide Regelungen sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass besondere Sicherungsmaßnahmen auch dann angeordnet werden können, wenn und soweit mildere Mittel aufgrund der baulichen Situation in dem Krankenhaus nicht zur Verfügung stehen.

Richtig ist, dass personelle Engpässe Abweichungen von § 28 Abs. 2 und 7 PsychHG-E auch in der Übergangsphase nicht rechtfertigen.

Nicht zu akzeptieren ist indes die Übergangsregelung für § 28 Abs. 7 S. 3 PsychHG-E. Nach dieser Regelung müssen Fixierungs- und Isolierungsmaßnahmen in gesonderten Räumen so durchgeführt werden, dass die Privatsphäre des betroffenen Menschen soweit wie möglich gewahrt wird. § 44 Abs. 1 PsychHG-E erklärt bis zum 31.12.2026 Fixierungen auf Fluren etc. für zulässig, was für die Betroffenen eine ganz erhebliche Belastung darstellt. Hier wurde den Problemen der Klinikbetreiber bei der Schaffung entsprechender Räume zu sehr nachgegeben. Abweichungen vom Schutz der Privatsphäre bei Fixierungen darf es im Interesse der Betroffenen auch in der Phase bis zum 31.12.2026 nicht geben.

III.)       Anhörung durch Gerichte in Zeiten einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bei Notwendigkeit umfassender Kontaktvermeidung?

Anlässlich der aktuellen Coronavirus-Pandemie-Krise stellt sich die drängende Frage, ob in Phasen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bei Notwendigkeit jedweder Kontaktvermeidung die Möglichkeit eingeräumt werden sollte, dass gerichtliche Entscheidungen ohne persönliche Anhörung des Betroffenen ergehen können. Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes sollte der Landesgesetzgeber im Rahmen des neuen PsychHG eine ausdrückliche Güterabwägung im Gesetz treffen.[52]

Einerseits gilt selbstverständlich, dass der Anspruch des betroffenen Menschen auf rechtliches Gehör auch in Krisenzeiten zu wahren ist, insbesondere wenn seine Freiheitsrechte durch Unterbringung oder Fixierung betroffen sind. Andererseits ist der Gesundheitsschutz der Betroffenen, der Richterinnen und Richter, der weiteren Verfahrensbeteiligten, des Klinikpersonals und der Allgemeinheit zu beachten. Die Coronavirus-Pandemie-Krise ist dadurch gekennzeichnet, dass eine wesentliche Infektionsschutzmaßnahme die Kontaktvermeidung ist. Auch gibt es nach Berichten der Presse Engpässe bei Schutzkleidung und Atemschutzmasken. Das Justizministerium hat zudem mitgeteilt, dass für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz für Anhörungen zentral keine Schutzmasken- und Anzüge zur Verfügung stehen würden. Der Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus könnte es nun dienlich sein, wenn die in den Kliniken und Heimen stattfindenden Anhörungen unterbleiben und so Kontakte vermieden werden. Ob und in welchen Fällen der Gesundheitsschutz für die Betroffenen, die Richterinnen und Richter, die weiteren Verfahrensbeteiligten, das Klinikpersonal und die Allgemeinheit in einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite zu einem Absehen der persönlichen Anhörung des Betroffenen führen darf, insbesondere wenn aus Gründen des Infektionsschutzes für die Allgemeinheit jegliche Kontaktvermeidung erforderlich ist, sollte der Landesgesetzgeber ausdrücklich klarstellen.

IV.)      Abschluss

Der vorliegende Gesetzentwurf hat sich Großes vorgenommen. Neben der Umsetzung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Fixierung untergebrachter Menschen verfolgt er weitreichende Ziele. Sie betreffen – mit einer Novellierung der Terminologie zu den medizinischen Grundlagen der Unterbringung sowie der betroffenen Menschen – eine Stärkung der vorgelagerten Hilfen, insbesondere aber eine ins Detail gehende Regelung der im Rahmen der Unterbringung möglichen Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren, die dem betroffenen Menschen selbst oder – von ihm ausgehend – Dritten (einschließlich Mitpatienten und Pflegepersonal) drohen. Hinzu treten Dokumentations- und Berichtspflichten. Dabei ist die dem Schutz der Betroffenen dienende Intention des Gesetzgebers uneingeschränkt zu befürworten. Die Umsetzung dieses Vorhabens allerdings ist nicht ganz geglückt. Abgesehen von dem stark angewachsenen Umfang des Regelwerks, welche das Verständnis nicht erleichtert, ist die Systematik des Gesetzes nicht immer konsequent eingehalten. Dies gilt insbesondere für den vorgesehenen Vollzug der Unterbringung in somatischen Krankenhäusern.

 


[1] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619.

[2] LT-Drucksache 19/1901, S. 36.

[3] Exemplarisch etwa Andreas Heinz, Der Begriff der psychischen Krankheit, Berlin 2014.

[4] S. das Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKHG B.-W.) v. 25.11.2014, GBl. B.-W. 2014, 534, zul. geändert d.G.v. 25.6.2019, GBl. B.-W. 2019, 230; Bayerisches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz (BayPsychKHG) v. 24.7.2018, GVBl. 2018, 582ff.; Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen sowie über den Vollzug gerichtlich angeordneter Unterbringung für psychisch kranke und seelisch behinderte Menschen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Psychisch-Kranken-Gesetz - BbgPsychKG) v.5.5.2009, GVBl. I/09, 134, zul. geändert d. G. v. 19. Juni 2019, GVBl. I/19, 28; Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) v. 22.12.2000, BremGBl. 2000, 471, zul. geändert d.G.v. 2.4.2019, BremGBl. 2019, 189; Hamburgisches Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (HmbPsychKG) v. 27.9.1995, HmbGVBl. 1995, 235, zul. geändert d.G.v. 17.12.2018, HmbGVBl. 2019, 5; Gesetz über Hilfe und Schutzmaßnahmen für Menschen mit psychischen Krankheiten (PsychKG Mecklenburg-Vorpommern) v.14.7.2016, GVOBl. 2016, 593, zul. geändert d.G.v. 13.12.2018, GVOBl. 2018, 410; Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) v. 17.12.1999, GV. NRW.1999, 662, zul. geändert d.G.v. 2.7.2019, GV. NRW. 2019, 339; Niedersächsisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen für psychisch Kranke (NPsychKG) v. 16.6.1997, Nds. GVBl. 1997, 272, zul. geändert d.G.v. 10.5.2019 Nds. GVBl. 2019, 88; Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG Berlin) v. 17.6.2016, GVBl. 2016, 336; Landesgesetz für psychisch kranke Personen (PsychKG [Rheinland-Pfalz]) v. 17.11.1995, GVBl. 1995, 473, zul. geändert d.G.v. 19.12.2018, GVBl. 2018, 448, Gesetzes Nr. 1301 über die Unterbringung psychisch Kranker (UBG [Saarland]) v. 11.11.1992, Amtsbl. 1992, 1271, zul. geändert 9.4.2014, Amtsbl. 2014, 156; Sächsisches Gesetz über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) i.d. Fassung v.10.10.2007, SächsGVBl. 2007, 422, zul. geändert d.G.v. 7.8.2014, SächsGVBl. 2014, 446¸ Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt (PsychKG LSA) v. 30.1.1992, GVBl. LSA 1992, 88, zul. geändert d.G.v. 13.4.2010, GVBl. LSA 2010, 192; Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) v. 2.2.1994, GVBl. 1994, GVBl. 2009, 10, zul. geändert d.G.v. 8.8.2014, GVBl. 2014, 545. [Gesetzgebungsstand 10/2019].

[5] Abgesehen davon, dass die Übersetzung von „disease“ immer noch Krankheit bedeutet, werden die hier relevanten Krankheiten oder Störungen im Kapitel V zwar stets nur mit „Störung“ eingeführt, doch wird in der Beschreibung nahezu durchgängig der Begriff der „Krankheit“ verwendet (beispielhaft F20.1, F20.2, F20.5, F25, F31, F33, F50.0).

[6] Grundlegend BGH v. 11.08.2010 – XII ZB 78/10 –, FamRZ 2010, 1651.

[7] So ausdrücklich Bork/Jacoby/Schwab-Heiderhoff, 3. Aufl. (2018), § 321 FamFG, Rn. 3.

[8] So ist eine eigene Untersuchung unerlässlich, muss diese dargestellt und erörtert werden, sind weitere Feststellungen, Befragungen und ermittelte Befunde zu diskutieren, muss die Art und das Ausmaß der Erkrankung unter besonderer Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Unterbringungsvoraussetzungen ebenso eingehend dargestellt werden wie die aktuelle Willensqualität des Betroffenen, müssen schließlich ausführliche Darlegungen zur konkret zutreffenden Maßnahme einschließlich der Dauer und etwaigen milderen Mittel erfolgen. Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Dodegge/Roth, Systematischer Praxiskommentar Betreuungsrecht, 5. Aufl. (2019), Teil G, Rz. 184 m.v.w.N.; vgl. auch Keidel-Budde, 19. Aufl. (2017), § 321 BGB, Rn. 7 f.

[9] Vgl. auch hierzu Dodegge/Roth, Systematischer Praxiskommentar Betreuungsrecht, 5. Aufl. (2018), Teil G, Rn. 195 m.v.w.N.

[10] Vgl. LT-Drucksache 19/1901, S. 46 f.

[11] Grundlegend BGH v. 11.10.2000 – XII ZB 69/00 –, BGHZ 145, 297; vgl. ferner statt aller Keidel-Budde, 19. Aufl. (2017), § 312 FamFG, Rn. 11.

[12] Z.B. BGH v. 28.07.2015 – XII ZB 44/15 –, FamRZ 2015, S. 1707.

[13] Dies sieht auch das Landgericht Lübeck in seinem Beschluss v. 27.11.2012 – 7 T 732/12, FamRZ 2013, 577, letztlich nicht anders, lässt aber ausgehend von der Formulierung des „geeigneten Krankenhauses“ eine Unterbringung auf der Intensivstation zu, weil nach Auffassung des Landgerichtes in Schleswig-Holstein ein anderer Unterbringungsbegriff gelte.

[14] § 8 Abs. 1 des Hamburgischen Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten lautet: „Eine Unterbringung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn eine Person gegen ihren natürlichen Willen in den abgeschlossenen Teil einer psychiatrischen Krankenhausabteilung oder in eine sonstige geeignete Einrichtung eingewiesen wird oder dort verbleiben soll. Eine Unterbringung liegt auch dann vor, wenn einer Person untersagt wird, eine nicht abgeschlossene Einrichtung der in Satz 1 genannten Art zu verlassen, oder wenn sie daran gehindert wird.“

[15] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619.

[16] V. 27.11.2012 – 7 T 732/12.

[17] Das Gericht nahm damals die Auslegung eines zentralen Tatbestandsmerkmales (wann ist eine Unterbringung möglich) über die Betrachtung einer Rechtsfolgenregelung (dann, wenn ein geeignetes Krankenhaus zur Verfügung steht) vor. Vollzug und Anordnung aber sind jedenfalls bei einer Freiheitsentziehung rechtsdogmatisch streng zu trennen.

[18] V. 23.03.2011 – 2 BvR 882/09 –, Rn. 73.

[19] 1 BvR 2019/16, BVerfGE 147, 1.

[20] Vgl. LT-Drucksache 19/1901, S. 53.

[21] Vgl. LT-Drucksache 19/1901, S. 55.

[22] Z.B. BGH v. 28.07.2015 – XII ZB 44/15 –, FamRZ 2015, S. 1707.

[23] BGH v. 28.07.2015 – XII ZB 44/15 –, FamRZ 2015, S. 1707.

[24] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619.

[25] V. 24.08.2018 – 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16 –, NJW 2018, 2619.

[26] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619, Rn. 68.

[27] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619, Rn. 70.

[28] Vgl. LT-Drucksache 19/1901, S. 57.

[29] Vgl. LT-Drucksache 19/1901, S. 57.

[30] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619. In  Rn. 81 heißt es: „insoweit sind die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Anordnung einer Zwangsbehandlung entwickelt hat […] auf die Anordnung einer Fixierung größtenteils übertragbar.“

[31] Es wird nicht verkannt, dass die zitierte Vorschrift für das gerichtliche Verfahren gilt und es in § 28 Abs. 6 Satz 1 PsychHG-E um die vorgelagerte ärztliche Anordnung der Maßnahme geht. Gleichwohl ist die Bewertung des Gesetzgebers in § 331 FamFG deswegen nicht ohne Belang, weil er die im Rahmen eines Unterbringungs- und Zwangsbehandlungsverfahrens entstehenden Eingriffe auch unter Berücksichtigung des Eilcharakters der Maßnahme sehr differenziert aufnimmt und in das Verfahrensrecht überträgt. Im Übrigen ist der Gedanke, dass der im behördlichen Unterbringungsverfahren tätige Arzt eine besondere Qualifikation besitzen muss, dem Gesetz ja immanent, wie § 8 Abs. 2 PsychHG-E eindrücklich zeigt.

[32] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619, Rn. 83.

[33] § 25 Abs. 4 PsychKHG B.-W.; § 21 Abs. 7 PsychKG Mecklenburg-Vorpommern.

[34] § 29 Abs. 3 BbgPsychKG.

[35] § 29 Abs. 3 BayPsychKHG.

[36] § 39 Abs. 2 PsychKG Berlin.

[37] § 31a Abs. 5 PsychKG Bremen.

[38] § 18 Abs.1 HmbPsychKG.

[39] § 21c Abs. 4 NPsychKG.

[40] § 20 Abs. 3 PsychKG NRW.

[41] § 14 Abs. 3 ThürPsychKG.

[42] § 17 Abs. 3 PsychKG Rheinland-Pfalz, § 31 Abs. 4 SächsPsychKG.

[43] Vgl. LT-Drucksache 19/1901, S. 59.

[44] Vgl. S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ der DGPPN vom 10.09.2018, S. 209.

[45] Vgl. S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ der DGPPN vom 10.09.2018, S. 209.

[46] LT-Drucksache 19/1901, S. 59.

[47] Vgl. hierzu auch § 327 FamFG und BGH v. 25.8.1999 – 5 AR (VS) 1/99 –, NJW 1999, 3499 zum Verhältnis von präventivem und nachträglichem Rechtsschutz durch §§ 98, 105 StPO.

[48] 2 BvR 309/15 sowie 2 BvR 502/16, NJW 2018, 2619.

[49] LT-Drucksache 19/1901, S. 57.

[50] Beispielhaft Palandt-Götz, 78. Aufl. (2019), § 1906 BGB, Rn. 27.

[51] LT-Drucksache 19/1901, S. 2.

[52] Insofern könnte die Pauschalverweisung auf die Regelungen des FamFG in § 10 PsychHG-E um eine Sonderregelung ergänzt werden. Da es um Landesrecht geht, würde die Sonderregelung keinen Verstoß gegen Bundesrecht (FamFG) bedeuten.