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Stellungnahme zum Entwurf
eines Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes
(LT-Drucksache 19/1966)

Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes (LT-Drucksache 19/1966) folgendermaßen Stellung:

Der Gesetzentwurf sieht im wesentlichen sinnvolle Gesetzesänderungen vor, gegen die nichts einzuwenden ist, nämlich die konsequentere Fassung von § 52 a Landesverwaltungsgesetz (LVwG), den Bürokratieabbau durch Aufhebung der Befristungsvorgabe für Verordnungen, die Einfügung einer Ermächtigung zum Erlass von Aufhebungsverordnungen, die Aktualisierung von § 81 LVwG und einen verbesserten Datenschutz bei der Pfändung von Geldforderungen.

Was die vorgesehene Einführung eines vollständig automationsgestützten Verwaltungsaktes (§ 106 a LVwG-Entwurf) nach dem Muster des Bundesrechts angeht, wird sich diese Automatisierung des klassischen Verwaltungshandelns angesichts der fortschreitenden Digitalisierung wohl kaum aufhalten lassen. Es bleibt zu hoffen, dass von dieser Technik im Rahmen der landesrechtlichen Rechtsvorschriften, mit denen entsprechende Verfahren konkret eingeführt werden könnten, maßvoll Gebrauch gemacht wird. 

Einwände bestehen indes zu der nicht ausgereiften Änderung von § 269 Abs. 3 LVwG gemäß Art. 1 Nummer 7 des Gesetzentwurfes. Danach soll die Vorschrift folgendermaßen gefasst werden:

„(3) Abs. 1 Nummer 3 gilt nicht für die Beitreibung von Zwangsgeldern und Kosten einer Ersatzvornahme. Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 3 gilt nicht für die Beitreibung von Säumniszuschlägen, Zinsen, Kosten und andere Nebenforderungen, wenn im Leistungsbescheid über die Hauptforderung oder bei deren Anmahnung auf sie dem Grunde nach hingewiesen worden ist. In diesem Fall können die Nebenforderungen, ohne dass es eines eigenständigen Leistungsbescheides bedarf, zusammen mit der Hauptforderung vollstreckt werden“.

Diese Änderung zielt darauf ab, eine öffentlich-rechtliche Beitreibung von „Säumniskosten“ (Säumniszuschläge, Zinsen und Vollstreckungskosten) künftig ohne entsprechenden Leistungsbescheid zu ermöglichen. 

Ein überzeugender Grund dafür, die bewährte schleswig-holsteinische Regelung in § 269 Abs. 3 LVwG zu den Voraussetzungen der öffentlich-rechtlichen Vollstreckung von Geldforderungen zu ändern, ist nicht ersichtlich. Die gegenwärtige Regelung, die als Voraussetzung der Vollstreckung abgabenrechtlicher Nebenforderungen ebenso wie für die Vollstreckung der Hauptforderung einen Leistungsbescheid vorsieht, hat den Vorteil, in jedem Fall für Transparenz hinsichtlich der vollstreckbaren Abgabenschuld zu sorgen; außerdem ist dadurch in Verbindung mit den Vorschriften zur Vollziehbarkeit von Abgabenbescheiden ein ausgewogener Rechtsschutz gewährleistet. Das Leistungsgebot informiert u.a. über die konkrete Forderungshöhe, wobei der aktuelle Stand der Schuld unter Berücksichtigung eventueller Teilerfüllungen mitgeteilt wird. Einwände gegen das Leistungsgebot können mit Widerspruch und Klage verfolgt werden; bei Abgabenbescheiden, die schon vor ihrer Bestandskraft vollziehbar sind, kann eine Aussetzung der Vollziehung bei der vollstreckenden Behörde beantragt bzw. wirksamer Rechtsschutz in einem Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden. Mit diesem Konzept ist zwar ein gewisser Aufwand und auch ein Verzögerungsrisiko verbunden, das sollte man sich jedoch in der öffentlich-rechtlichen Vollstreckung leisten, der ja typischerweise kein gerichtlicher, sondern ein von einer Behörde selbst geschaffener Titel zugrunde liegt. Dass der im Vergleich zu einigen anderen Lösungen im Bundesgebiet hohe rechtliche Standard in Schleswig-Holstein zu unangemessenen Schwierigkeiten geführt hat, ist nicht ersichtlich.

Ein vernünftiger Anlass zur Gesetzesänderung lässt sich jedenfalls nicht dem in der Gesetzesbegründung (LT-Drucksache 19/1966, S. 4) angesprochenen Umstand entnehmen, der Norddeutsche Rundfunk habe im Jahr 2018 in Schleswig-Holstein etwa 44.000 Vollstreckungsersuchen aussprechen müssen und habe in diesem Zusammenhang etwa 93.000 Mahnschreiben mit einem Kostenaufwand von rund 6 € pro Schreiben versandt; der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zufolge bedürfe es im Hinblick auf § 269 Abs. 1 LVwG und  § 25 Abs. 2 VVKVO bei Mahngebühren vor der Vollstreckung der Festsetzung durch einen Verwaltungsakt (VG Schleswig, Urteil vom 19. Dezember 2018, 4 A 194/18). Soweit deswegen in der Begründung des Gesetzentwurfes (auf S. 26) ausgeführt wird, das Entfallen eines besonderen Leistungsbescheides für die Säumniskosten, das heiße der Verzicht auf deren Festsetzung, erfordere eine Anpassung des § 269 Abs. 3 LVwG, ist dies nicht nachvollziehbar.

Zum einen fragt sich, warum der angeführte Beispielsfall aus dem Rundfunkgebührenrecht symptomatisch für besondere Vollstreckungsprobleme bzw. unnötig hohe Kosten nach geltendem Recht sein soll.  Für die Mahnungen, die zur Vollstreckung auch von Rundfunkgebührenbescheiden notwendig sind, kann nach geltendem Recht bereits im Mahnschreiben eine Mahngebühr festgesetzt und ein Leistungsgebot (= Leistungsbescheid) geregelt werden, sodann können die Mahnkosten – ohne zusätzliche Mahnung hierfür – schon jetzt unproblematisch in jedem Einzelfall zusammen mit der ausstehenden Abgabe vollstreckt werden. Die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung wird daher nicht aufgezeigt und ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen des zitierten verwaltungsgerichtlichen Urteils. 

Zum anderen ist die Gesetzesbegründung insoweit nicht schlüssig, als auf S. 26 der Begründung des Gesetzentwurfs die Festsetzung von Nebenforderungen mit dem Leistungsbescheid bezüglich der Nebenforderungen gleichgesetzt wird. Anscheinend wird davon ausgegangen, mit dem vorgeschlagenen Entfallen eines besonderen Leistungsbescheides für die in Rede stehenden Kosten gehe ohne weiteres auch ein Verzicht auf deren Festsetzung einher; auf Seite 12 wird die vorgesehene Streichung eines Leistungsbescheides als „Verzicht auf einen gesonderten Verwaltungsakt zur Festsetzung von Nebenforderungen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren“ beschrieben. Eine solche Gleichsetzung von Abgabenfestsetzung und Leistungsbescheid ginge von falschen Grundlagen aus. 

Die Festsetzung einer Abgabe und ein entsprechendes Leistungsgebot (Leistungsbescheid) sind zweierlei Dinge. Im Abgabenrecht wird grundsätzlich zwischen dem Festsetzungsverfahren (Festsetzung einer Abgabe, bzw. Kostenentscheidung) und dem Erhebungsverfahren (Verwirklichung der Abgabenschuld) unterschieden, auch wenn beides häufig in einem Bescheid zusammentrifft. Im Bereich der Abgabenordnung wird dies z.B. dadurch deutlich, dass in § 218 Abgabenordnung die Festsetzung von Abgaben einschließlich der Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen (mit Ausnahme von Säumniszuschlägen) geregelt ist, während § 254 Abgabenordnung regelt, dass für die Vollstreckung grundsätzlich  ein Leistungsgebot (= Zahlungsaufforderung) erforderlich ist. Ein solches Zusammenspiel von Festsetzung und Leistungsgebot, das durchaus sinnvoll ist, gilt auch im Rahmen des schleswig-holsteinischen Landesrechts (vgl. z.B. § 11 KAG, wo von „Festsetzung und Erhebung“ die Rede ist). Dies ist auch für die Vollstreckung relevant. So sehen zum Beispiel das Verwaltungskostengesetz SH und die VVKVO-SH bei Abgaben eine Festsetzung des geschuldeten Betrages (Kostenentscheidung) vor und knüpfen die Fälligkeit der Abgabe daran an. Damit ist das Vorliegen einer Festsetzung grundsätzlich auch eine Vollstreckungsvoraussetzung, denn es dürfen gemäß § 269 Abs. 1 Satz 2 LVwG nur fällige Forderungen vollstreckt werden. Hieraus folgt, dass allein mit dem Verzicht auf einen Leistungsbescheid als Vollstreckungsgrundlage z.B. bezüglich einer entstandenen Mahngebühr das zwingende Erfordernis einer vorherigen Festsetzung der Mahngebühr durch Verwaltungsakt unberührt bliebe. 

Wenn mit dem Gesetzentwurf beabsichtigt sein sollte, künftig bezüglich der Mahngebühren eine Vollstreckung ohne jeglichen vorherigen Verwaltungsakt hierzu – also auch ohne Festsetzung - zu ermöglichen, müsste dementsprechend auch dieser Zusammenhang zwischen der Abgabenfestsetzung und der Vollstreckung noch abgeschafft werden. Ein solches Konzept scheint z.B. der in Niedersachsen getroffenen Regelung in § 67 NVwVG zugrunde zu liegen. Denn nach der dortigen Regelung von Gebühren und Auslagen für bestimmte Amtshandlungen ist vorgesehen, dass die Kostenschuld sofort (also wohl ohne Festsetzung) fällig ist und ohne besonderen Leistungsbescheid mit der Hauptleistung beigetrieben werden kann – eine sehr rigide und rechtsstaatlich bedenkliche Lösung, die nicht Vorbild für das Landesrecht Schleswig-Holstein sein sollte. 

Von einer solch weitreichenden Abweichung von Grundregeln des Abgabenrechts ohne zwingenden Grund raten wir ab. Es sollte aus rechtsstaatlichen Gründen im Rahmen der beabsichtigten Vereinfachung des Vollstreckungsverfahrens bei abgabenrechtlichen Nebenforderungen zumindest das Festsetzungsverfahren für Zinsen und Vollstreckungskosten beibehalten werden. 

Welche Nachteile ein Konzept hat, das auch auf eine Festsetzung von Abgaben als Voraussetzung einer Beitreibung verzichtet, zeigt sich anhand der bundesrechtlichen Regelung zu Säumniszuschlägen im Rahmen der Abgabenordnung. Nach § 218 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz Abgabenordnung genügt bei Säumniszuschlägen die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes, sodass sie nicht festgesetzt werden müssen, und zugleich sieht § 254 Abs. 2 Abgabenordnung vor, dass es eines Leistungsgebot wegen der Säumniszuschläge nicht bedarf, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden. Säumniszuschläge können danach also ohne jeglichen sie betreffenden Grundverwaltungsakt vollstreckt werden.

Wegen der geringen Transparenz eines solchen staatlichen Vorgehens und wegen der Beeinträchtigung des Rechtsschutzes hat der Bundesfinanzhof schon vor vielen Jahren als Ausgleich eine sehr weite Auslegung der Regelung in § 218 Abs. 2 Abgabenordnung zu einem Abrechnungsbescheid für erforderlich gehalten, um rechtsstaatliche Mindesterfordernisse zu gewährleisten ( BFH,  Urteil vom 12.8.1999, VII R 92/98). 

Der Bundesfinanzhof hat zu dieser Problematik ausgeführt:

„2. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Abrechnungsbescheide nur über die Verwirklichung festgesetzter Ansprüche entscheiden, gilt bei einem Streit über die Frage, ob Säumniszuschläge angefordert werden können. Die Rechtsprechung läßt es bei Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Erhebung von Säumniszuschlägen unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes zu, daß das FA in dem Abrechnungsbescheid nicht nur über den Fortbestand der Zahlungsverpflichtung – z.B. nach zwischenzeitlicher Zahlung durch den Steuerpflichtigen oder Aufrechnung –, sondern auch darüber entscheidet, ob Säumniszuschläge überhaupt und ggf. in welcher Höhe sie entstanden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 15. März 1979 IV R 174/78, BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429; vom 8. November 1989 I R 30/84, BFH/NV 1990, 546, und vom 6. Februar 1990 VII R 48/87, BFH/NV 1991, 3). Diese Ausnahme für die Säumniszuschläge gilt deshalb, weil nach § 218 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zur Verwirklichung des Anspruchs eine Festsetzung nicht notwendig ist, sondern die Tatbestandsverwirklichung des § 240 AO 1977 genügt. Damit wird die systematische Stellung des § 218 AO 1977 im Steuererhebungsverfahren durchbrochen und ein zusätzliches Regelungsbedürfnis durch Abrechnungsbescheid hinsichtlich des Entstehens von Säumniszuschlägen anerkannt, soweit es einer Überprüfbarkeit des Entstehens dieser Säumniszuschläge nach Grund und Höhe bedarf (vgl. Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 218 AO 1977 Rz. 31, und Brodersen, JuS 1987, 502). Das betrifft insbesondere die Fragen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Entstehung von Säumniszuschlägen nach § 240 AO 1977 erfüllt sind oder ob außerhalb der Verwirklichung des Tatbestandes des § 240 AO 1977 trotz Bestehens einer Säumnis Umstände vorliegen, die das Entstehen von Säumniszuschlägen hindern, z.B. weil für bestimmte Zeiträume, für die sie erhoben werden könnten, Stundung oder Aussetzung der Vollziehung gewährt worden ist oder soweit sich die Parteien über die Wirkung einer Aussetzung der Vollziehung oder eines Vollstreckungsaufschubes im Hinblick auf die Verwirklichung von Säumniszuschlägen streiten (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Dezember 1986 I B 121/86, BFHE 149, 6, BStBl II 1987, 389). 

Aus der Formulierung des § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, wonach die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche i.S. des Abs. 1 Satz 1 betreffen, durch Verwaltungsakt zu entscheiden hat, ist zu entnehmen, daß der Verwaltungsakt nach Abs. 2 Satz 1 nicht nur auf eine Aussage über die Abrechnung, d.h. über die Verwirklichung von Erlöschensgründen beschränkt sein muß, sondern auch eine sonstige Regelung i.S. des § 118 Abs. 1 AO 1977 enthalten kann. Der Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 erlangt danach für die Säumniszuschläge eine doppelte Funktion: Er hat die Wirkung einer Festsetzung und dokumentiert damit die Anspruchsverwirklichung i.S. des § 218 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 240 AO 1977 und er enthält gleichzeitig eine Entscheidung über die Verwirklichung, d.h. über die Erlöschensgründe des Anspruchs (BFH in BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429; Urteil vom 18. Juni 1986 II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704, 705, und in BFH/NV 1991, 3; ebenso Frotscher, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Abgabenordnung, § 218, Anmerkung Rechtsspruch 1; Schmieszek, a.a.O., § 218 AO 1977 Rz. 31; Alber in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 218 AO 1977 Rz. 56; a.A. Helsper in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 218 Rz. 8; Tipke/Kruse, a.a.O., § 218 AO 1977 Rz. 9a). 

3. Ergibt sich zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde eine Streitigkeit über die Entstehung und Verwirklichung von Säumniszuschlägen, hat die Finanzbehörde darüber nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 durch Verwaltungsakt (= Abrechnungsbescheid) zu entscheiden. 

a) Ein solcher Anspruch des Steuerpflichtigen folgt aus dem Zweck des Abrechnungsverfahrens, das dazu dient, über bestrittene Zahlungsansprüche eine endgültige Klärung zwischen den Beteiligten herbeizuführen (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1993 I R 123/91, BFHE 170, 573, BStBl II 1994, 147). Für den Anspruch des FA auf Zahlung von Säumniszuschlägen bedeutet das, daß die Finanzbehörde durch Erteilung eines Abrechnungsbescheides eine verbindliche und nachprüfbare Entscheidung über die Entstehung und den Fortbestand der Säumniszuschläge zu treffen hat, wenn die Anforderung von Säumniszuschlägen und die dazu ergangenen Aufstellungen über den Stand des Schuldkontos und die Mitteilungen des FA über die seiner Ansicht nach verwirkten Säumniszuschläge nicht zu einer Klärung der bei dem Steuerpflichtigen bestehenden Zweifel an deren Entstehung und Fortbestehen geführt haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 1992 VII R 41/91, BFH/NV 1992, 716). 

Diese Rechtspflicht der Finanzbehörden beruht auch auf dem Grundsatz, daß gegen hoheitliche Maßnahmen gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren ist (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes); denn für die Säumniszuschläge eröffnet allein der Verwaltungsakt nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der außergerichtlichen und gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich ihrer Entstehung und Verwirklichung (vgl. BFHE 127, 311, BStBl II 1979, 429, 430). Da eine andere gesetzliche Grundlage für die Feststellung der verwirkten Säumniszuschläge nicht vorgesehen ist (§ 240 AO 1977), erlangt der Steuerpflichtige erst durch den Bescheid i.S. des § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 einen nachvollziehbaren und nachprüfbaren Verwaltungsakt und damit die Möglichkeit des effektiven, auf eine Sachentscheidung gerichteten gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. BFH-Urteil vom 1. August 1979 VII R 115/76, BFHE 128, 251, BStBl II 1979, 714; Schöll, Praktikerkommentar zur Abgabenordnung, § 218 Rz. 8). Diesem Erfordernis genügen die Kassenaufstellungen und die Mitteilungen des FA über Speicherung der Aussetzung der Vollziehung, Umbuchungen und deren Rückgängigmachung etc. nicht, weil mit ihnen nicht mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen zwischen den Beteiligten rechtsfeststellend und mit Rechtsbehelfen angreifbar über die Streitigkeiten betreffend die Säumniszuschläge entschieden wird (zur Bewertung einer Äußerung des FA als Abrechnungsbescheid vgl. Senatsurteil vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569, 571; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Oktober 1972 VI R 310/68, BFHE 107, 272, BStBl II 1973, 89). Dem Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides steht auch nicht entgegen, daß bei Bestreiten der Entstehung von Säumniszuschlägen eine Anforderung durch Verwaltungsakt i.S. des § 218 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 nicht ausgeschlossen ist (Schmieszek, a.a.O., Rz. 32). Ein solcher Verwaltungsakt stellt nur das Entstehen, nicht aber das Erlöschen der Säumniszuschläge fest und trifft daher, anders als der Bescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, keine endgültige, zwischen den Beteiligten verbindliche Entscheidung über die Verwirklichung der Ansprüche auf Zahlung von Säumniszuschlägen“.

Diese vom BFH aufgezeigten komplexen Zusammenhänge sprechen dafür, mit vermeintlichen Vereinfachungen in der Vollstreckung vorsichtig zu sein. Wenn es aus rechtsstaatlichen Gründen der Herleitung eines Abrechnungsbescheides bedarf, um einen fehlenden Verwaltungsakt zur Höhe der Abgabenschuld auszugleichen, kann man es gleich bei der jetzigen Regelung belassen, die in rechtsstaatlicher Hinsicht einwandfrei ist. 

Wenn jedoch entsprechend dem vorliegenden Gesetzentwurf jedenfalls auf einen Leistungsbescheid als Vollstreckungsgrundlage für Nebenforderungen verzichtet werden soll, wäre zu klären, ob und wie ein wirksamer Rechtsschutz gewährleistet wäre. Wahrscheinlich würden sich auf der Grundlage der VwGO auch hierfür passende Lösungen entwickeln lassen. Was jedenfalls nicht überzeugt, ist der im Gesetzentwurf beschriebene Weg:

„Den Vollstreckungsunterworfenen wird damit zwar die Möglichkeit genommen, sich durch isolierte Anfechtungsklage allein gegen den Säumnisbescheid zu wehren, es bleibt ihnen aber unbenommen, Anfechtungsklage gegen die Hauptforderung zu erheben und in diesem Rahmen auch die Rechtmäßigkeit der Säumniskosten prüfen zu lassen.“ 

Es ist schlichtweg nicht überzeugend, dass – entgegen der bisherigen gesetzlichen Wahlmöglichkeit in solchen Fällen  (vgl. z.B. die ausdrückliche Regelung hierzu in § 22 Verwaltungskostengesetz) – ein Kläger, der eine Hauptforderung (z.B. Gebühren in Höhe von 5.000 €) für rechtmäßig hält und sich nur gegen eine unrichtige Berechnung der Säumniskosten oder Zinsen (z.B. von 100,- €) wendet, darauf verwiesen wird, gegen die Hauptforderung Klage erheben zu müssen einschließlich der damit verbundenen nachteiligen Kostenfolge.