Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes
Der Schleswig-Holsteinische Richterverband bedankt sich für die Anhörung und nimmt zu den Änderungsvorschlägen zu § 40 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein1 folgendermaßen Stellung:
1.
Nach Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes besteht für eine Verlängerung der Ausschlussfrist von zwei auf vier Jahre kein Anlass. Der Aus-schlussfrist liegt der Gedanke zugrunde, dass tatsächliche Zustände, die längere Zeit hindurch unangefochten bestanden haben, im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit als zu Recht bestehend anerkannt werden. Der Schuldner soll nicht mit Ansprüchen konfrontiert werden, bei denen sich durch Zeitablauf seine Be-weissituation verschlechtert hat. Wird die Ausschlussfrist verlängert, trägt dies zu den Interessen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit nicht bei. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 08.12.2017 – V ZR 16/17 – (NJW-RR 2018, 394, Rn. 21) die Zwei-Jahres-Frist des § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein als angemessen bezeichnet und im einzelnen ausgeführt: „Sinn und Zweck der Aus-schlussfrist des § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz S.-H. für Ansprüche auf Zurück-schneiden von Anpflanzungen, die über die nach dem Nachbarrechtsgesetz Schles-wig-Holstein zulässige Höhe oder den zulässigen Abstand hinausgewachsen sind, ist es, innerhalb eines Zeitraums, der die Interessen des Nachbarn und des Eigentü-mers der Bäume gleichermaßen berücksichtigt, eine abschließende Klärung der nachbarlichen Verhältnisse in Bezug auf das Höhenwachstum herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33, 37 zu § 54 Abs. 2 NdsNachbG). Der Nachbar erhält eine angemessene Bedenkzeit, ob er die lang-sam immer größer und dichter werdenden Anpflanzungen auf Dauer dulden will. Ei-ne Frist von zwei Jahren ist auch für den Eigentümer der Pflanzen zumutbar, denn dann sind Umpflanzungen oder Rückschnitte noch ohne ernstliche Schädigung der Pflanzen möglich (vgl. LT-Drucks. VI/1073 S. 42 zu § 39 NachbG SH). Damit dient die Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz S.-H. dem Rechtsfrieden.“ Insofern sollte an der Ausschlussfrist von zwei Jahren festgehalten werden.
2.
Der BGH hat zu einer dem § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein entsprechenden niedersächsischen Regelung entschieden, dass für die Auslegung der Vorschrift über die Ausschlussfrist kein Raum sei, dass nach Fristablauf zwar kein Zurückschneiden auf die gesetzlich zulässige Höhe, wohl aber verlangt werden könne, dass der Eigentümer die Bäume künftig durch regelmäßiges Zurückschnei-den auf der Höhe hält, die sie im Zeitpunkt der Klageerhebung hatten oder dass die Bäume auf die Höhe zurückgeschnitten werden, die sie fünf Jahre vor Klageerhebung hatten (vgl. BGH vom 14.11.2013 – V ZR 102/03 –, NJW 2004, 1037).
Auf diese Entscheidung des BGH hat der niedersächsische Gesetzgeber die betroffene Regelung neu gefasst: „...Nach Ablauf der Ausschlussfrist kann der Nach-bar vom Eigentümer jedoch verlangen, die Anpflanzung durch jährliches Beschneiden auf der jetzigen Höhe zu halten; im Fall der Klage auf Beschneiden ist die jetzige Höhe die Höhe im Zeitpunkt der Klageerhebung. Der Klageerhebung steht die Bekanntgabe eines Antrags auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor dem Schiedsamt oder einer anderen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, gleich.“2 Für die Neuregelung war maßgebend, dass es nicht sachgerecht erscheine, das Fristversäumnis zusätzlich dadurch zu sanktionieren, dass mit dem Anspruch auf Zurückschneiden auf die zulässige Höhe auch jeder Anspruch auf eine Höhenbegrenzung ausgeschlossen sei. Der Bestandsschutz sei vielmehr bei Abwägung der beiderseitigen Interessen nur hinsichtlich des Höhenwachstums in der Vergangenheit, nicht aber auch hinsichtlich des künftigen Höhenwachstums geboten. Verlange der Nachbar daher nach Ablauf der Ausschlussfrist lediglich eine Beibehaltung des aktuellen Zustands (jetzige Höhe), so gebühre diesem Interesse der Vorrang vor dem Interesse des Eigentümers an einem – weiterhin – ungehinderten Höhenwachstum.
Die Schaffung einer entsprechenden Regelung in Schleswig-Holstein erscheint dem Schleswig-Holsteinischen Richterverband durchaus sachgerecht. Indes bestehen zur Ausgestaltung einzelne Bedenken. Es erscheint widersprüchlich, dass wenn der An-spruch auf Zurückschneiden nach dem bisherigen Absatz 1 ausgeschlossen ist, der Nachbar dann nach der beabsichtigten Neuregelung in einem neuen Absatz 2 von dem Eigentümer ein jährliches Beschneiden verlangen kann. Ist der Anspruchsaus-schluss in Absatz 1 entsprechend der Entscheidung des BGH umfassend, kann der Anspruch auch in der Form des Absatz 2 nicht mehr gegeben sein. Der Systematik von § 40 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein würde zudem eher entsprechen, wenn die eingefügte Neuregelung nicht als Anspruchsgrundlage, sondern als Be-schränkung des Ausschlusses des Anspruchs auf Zurückschneiden formuliert wer-den würde.
Auch sollte bei der Neuregelung der Begriff des Zurückschneidens gewählt werden, weil ansonsten nicht klar ist, ob mit „Beschneiden“ etwas anderes gemeint sein könnte.
Nach der Neuregelung soll es für den Anspruch auf jährliches Zurückschneiden auf die Höhe der Anpflanzungen ankommen, die sie im Zeitpunkt des Verlangens ha-ben. Insofern dürften der Zeitpunkt des Verlangens und der Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs auf jährliches Zurückschneiden auseinanderfallen. Kommt es im Zweifelsfall auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an, weil etwa der Zugang eines außergerichtlichen Verlangens bestritten wird, gilt es zu bedenken, dass die Klage auf eine zukünftige Leistung gerichtet ist, die den zusätzlichen Anforderungen aus § 259 ZPO entsprechen muss. Dies wirkt kompliziert und mag gegebenenfalls der Herbeiführung des Rechtsfriedens zwischen Nachbarn zuwiderlaufen.
3.
Schließlich regt der Schleswig-Holsteinische Richterverband an, für die Ausschluss-frist aus § 40 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein Tatbestände für die Hem-mung bzw. den Neubeginn zu schaffen. In seiner Entscheidung vom 08.12.2017 – V ZR 16/17 – (NJW-RR 2018, 394, Rn. 18) hat der BGH beanstandet, dass § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein eine planwidrige Regelungslücke enthal-te. Hierzu hat er ausgeführt: „Nachbarrechtsgesetze der Länder beschränken Besei-tigungsansprüche in zeitlicher Hinsicht entweder durch Verjährungsfristen (z.B. Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB) oder - wie hier - durch Ausschlussfristen. Der Unterschied besteht darin, dass der Ablauf einer Ausschlussfrist den Untergang des Rechts zur Folge hat, während nach Eintritt der Verjährung der Schuldner berechtigt ist, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Unterliegt ein Anspruch der Verjährung, kann der Berechtigte die Verjährungsfrist voll ausschöpfen, weil er unter den Vo-raussetzungen der §§ 203 ff. BGB eine Hemmung der Verjährung herbeiführen kann. Für die Ausschlussfrist sieht das Gesetz eine entsprechende Regelungen nicht vor. Dafür besteht aber ein Bedürfnis. Der Berechtigte kennt in der Regel die Termin-lage der zuständigen Gütestelle nicht und kann auch nicht ohne weiteres die Dauer des Schlichtungsversuchs abschätzen. Er müsste, um sicher zu gehen, lange vor Ablauf der Ausschlussfrist einen Güteantrag stellen, so dass für ihn die Bedenkzeit, ob er die Anpflanzung dulden will, verkürzt würde. Das hat der Gesetzgeber nicht bedacht und ist mit dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist nach § 40 Abs. 1 NachbG SH nicht vereinbar.“
Diese vom BGH angesprochene planwidrige Lücke sollte geschlossen werden.
4.
Zugleich könnte das Gesetzesvorhaben genutzt werden, ausdrücklich klarzustellen, dass es sich bei der Ausschlussfrist des § 40 Nachbarrechtsgesetz Schleswig-Holstein nicht um eine Klagefrist im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Landesschlich-
- 5 - tungsgesetz Schleswig-Holstein handelt (vgl. hierzu BGH vom 08.12.2017 – V ZR 16/17 –, NJW-RR 2018, 394, Rn. 12).
1In einer derzeitigen Fassung lautet der den Ausschluss des Anspruchs auf Zurückschneiden betreffende § 40 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz S.-H.: „Der Anspruch auf Zurückschneiden von Anpflanzungen ist ausgeschlossen, wenn die Anpflanzungen über die nach diesem Gesetz zulässige Höhe oder den nach diesem Gesetz zulässigen Abstand hinausgewachsen sind und nicht bis zum Ablauf des zweiten darauffolgenden Kalenderjahres Klage aufZurückschneiden erhoben worden ist.“
2Vgl. hierzu auch LT-Drucksache 15/2471 (Niedersachsen).